Dachser: «Wir sind ganz normale Spediteure»
DACHSER SCHWEIZ Der Logistikdienstleister Dachser steigerte im Geschäftsjahr 2018 seinen Nettoumsatz weltweit um 5,5 Prozent auf 5,57 Mrd. Euro und in der Schweiz gar um 8,5 Prozent auf 189,1 Mio. Franken. Wir unterhielten uns mit Urs Häner, Managing Director European Logistics Switzerland bei Dachser.

TIR: Wo liegen die Gründe für das starke Wachstum, insbesondere in der Schweiz?
Urs Häner: Grundsätzlich war die Wirtschaftslage 2018 besser als nur robust. Die Schweiz verbuchte mit 233,1 Mrd. Franken einen neuen Exportrekord, und auch die Importe zogen auf 201,8 Mrd. Franken an und führten zu einem Handelsüberschuss von 31,3 Mrd. Franken. Beste Zahlen also, da profitiert man natürlich mit: Wir wachsen mit unseren Kunden. Zusammengefasst war es die gute Wirtschaftslage mit Wachstum. Und dann leben wir auch aus dem europäischen Netzwerk heraus. In Mitteleuropa läuft es sehr gut. Polen, Tschechien, Slowakei, Ungarn und auch Rumänien sind die Outperformer. Das ist natürlich von Deutschland getrieben, das seine Produktion immer mehr in diese Länder verlagert.
Welche Bedeutung hat die noch junge Filiale Bern?
Früher kümmerte sich nur ein Verkaufsbüro um die Westschweiz, daher freut es uns, dass uns die vor vier Jahren in Lyss eröffnete Filiale näher zu den Kunden gebracht hat und wir uns in der Westschweiz etablieren konnten. Man kennt uns und wir verzeichnen schöne Zuwachsraten. Da haben wir alles richtig gemacht. Und wir wollen dort wachsen.
Welche Geschäftsfelder liefen ebenfalls gut?
Der Bereich Luft- und Seefracht ist in der Schweiz stärker gewachsen als der Konzerndurchschnitt. Das hängt mit der verfolgten Differenzierungsstrategie dieses Bereichs zusammen und ist sehr erfreulich. Lohnend waren im vergangenen Jahr vor allem die Transporte von Lebensmitteln und von beratungsintensiven Spezialprojekten sowie bereichsübergreifende Projekte zwischen Luft- und Seefracht einerseits und Strassentransport andererseits. Diese Komplettlösungen aus einer Hand nennen wir «Interlocking».
Die Mitbewerber schlafen nicht. Wie können Sie trotz Wettbewerb ein Wachstum sicherstellen?
Grundsätzlich braucht es eine Strategie. Wir wissen, welche Kunden zu uns passen, die suchen wir uns ein wenig aus, und glücklicherweise denkt der Kunde oft auch, er könnte zu uns passen, und das hilft. Wir haben keine Riesenverkaufsmannschaft. Unsere Strategie ist netzwerktaugliches Stückgut. Wenn das passt, gibt es meistens eine Erfolgsstory.
Welche Assets sind matchentscheidend?
Uns sind die Mitarbeiter wichtig, wir investieren viel in sie. Gute Mitarbeiter heisst auch gute Qualität. Wir glauben an die Zukunft, deswegen haben wir auch eine hohe Ausbildungsquote (zwölf Prozent Lehrlinge). Unser Ziel ist immer, die jungen Menschen auch übernehmen zu können. Über alle Bereiche gesehen, planen wir in den nächsten fünf Jahren einen Personalausbau von rund 50 Vollzeitstellen.
Worin liegen im operativen Geschäft die Unterschiede zu anderen Ländern, insbesondere Deutschland?
Wenn man das Netzwerk anschaut, so sind die Prozesse in jedem Land gleich mit der Ausnahme, dass wir in der Schweiz den Zoll dazwischen haben. Dazu kommt die Dreisprachigkeit, aber die ist für uns normal und wird gelebt. Unsere Prozesskosten sind die höchsten in Europa, u.a. durch hohe Lohnkosten und die Zollabwicklung. Wir sind dafür aber sehr effizient, wenn man uns mit dem Konzern vergleicht. Die Zollabwicklung muss sauber und hochwertig gemacht werden, und das können wir.
«Das Management knapper Ressourcen ist spätestens 2018 zur Kerndisziplin der Logistik geworden», sagt Bernhard Simon, CEO Dachser SE. Wie sieht es diesbezüglich in der Schweiz aus?
In der Schweiz werden ein paar Tausend Fahrer gesucht. Und jene, die im Markt zu finden sind, erfüllen oft nicht unseren Qualitätsanspruch. Daher schulen wir unsere Fahrer sechs Monate lang im Fahren, in Sprache, im Umgang mit Gefahrgut oder wie man unsere Geräte nutzt. Dazu haben wir den neuen Job des Fahrer- und Fuhrparkbetreuers kreiert. Die Fahrer sind auch unsere Visitenkarte und oft häufiger bei den Kunden als unsere Verkäufer. Das ist eine Herausforderung. Zolldeklaranten und andere spezifische Fachkräfte findet man auch nicht viele, daher bilden wir selbst stark aus. Zudem haben wir die Stelle eines Zollbeauftragten geschaffen, der berät und schult.

2018 investierte das Unternehmen 126 Millionen Euro in Logistikanlagen, IT-Systeme und die technische Ausstattung. Für 2019 stehen 234 Millionen Euro im Plan. Wie viel davon kam und kommt in die Schweiz?
Primär reden wir hier von Fläche, wir müssen bauen, dann folgt IT-Infrastruktur, in die wir bereits viel investiert haben. In der Schweiz sind für die nächsten drei Jahre keine Bautätigkeiten geplant. Die Digitalisierung wird uns noch länger beschäftigen, sie ermöglicht effiziente Prozesse, ist aber auch sehr schnelllebig. Wichtig sind Mitarbeiter, auch diese Ressource müssen wir planen. Übernahmen sind bei uns kein Thema, wir versuchen, aus eigener Kraft zu wachsen.
Welche Herausforderungen kommen auf Sie zu?
Aktuell beschäftigen wir uns mit einem grösseren Projekt mit der Bezeichnung Short Distance 2.0, der Roll-out ist im Frühjahr 2020 vorgesehen. Da geht es um die letzte Meile, die wir sehr digitalisiert angehen, um die Effizienz zu steigern. Das wird wirklich cool, damit sind wir fast State of the Art. So werden beispielsweise Adressen geocodiert, auf Basis der Zeitfenster der Empfänger machen die Algorithmen dann die Planung und sagen dem Fahrer, welches der optimale Weg ist, inklusive dynamischer Routenänderung.
Wie beurteilen Sie die Verkehrsentwicklung?
Es sind nicht die LKW, die die Strassen verstopfen, denn den 54 000 LKW stehen 4,6 Mio. Personenwagen gegenüber. Cargo Souterrain wird sehr wahrscheinlich nicht realisiert werden können, und es ist auch nicht Aufgabe der Industrie und der Logistiker, eine eigene Infrastruktur aufzubauen, es ist Aufgabe des Staates. Wir schauen, dass wir näher beim Kunden sind und verdichten können. Wir wollen kurze Wege, aber mit vollen LKW. Und die Software bringt mehr Speed rein. Aber den Verkehr bringen wir Logistiker nicht von der Strasse. Vermutlich hilft Mobility Pricing. Wenn man weiterdenkt, wird das persönliche Auto künftig nicht mehr so relevant sein, stattdessen bestellt man sich vielmehr eines, bezahlt für die Strecke und gibt es wieder ab, that’s it.
Wie gehen Sie mit Auftragsspitzen um?
Wir wollen primär unsere Kosten und damit die der Kunden im Griff haben. Dazu setzen wir auf Flexibilität. Wenn ich sehe, dass es mit dem Fuhrpark nicht reicht, dann muss ich heute schauen, dass ich morgen mehr Fahrzeuge habe. Dazu benötigen wir die relevanten Daten möglichst früh, der Kunde muss also mitspielen. Ein Drittel unserer Fahrzeuge sind unser eigenes Rollmaterial, zwei Drittel sind Subunternehmer, die exklusiv für uns mit unserem Branding fahren.
Wie beurteilen Sie den Markt für 2019 und 2020?
In unserer Planung gehen wir davon aus, dass 2019 auch noch ein sehr gutes Jahr wird. Der Eurokurs ist für uns schon noch wichtig, weil ein schwächerer Franken die Exportindustrie stützt. Man weiss noch nicht genau, wie das mit dem Brexit und dem EU-Rahmenabkommen wird. Unternehmer bleiben deshalb zurückhaltend. Wenn das geregelt ist, gibt es wieder einen Schub. Was wir wissen, ist, dass der Export in die USA stark wächst. Die Schweiz ist ein gutes Land mit einer starken Wirtschaft. Wir packen es, weil wir kein träger Riesendampfer sind, der zu spät reagiert.
2018 transportierte Dachser Schweiz 575’100 Sendungen mit insgesamt 238’900 Tonnen. Wer sind Ihre Kunden?
Es sind nebst ein paar Grosskonzernen vor allem KMU mit 50 bis 1000 Mitarbeitern mit hauptsächlich Industriegütern. Für Chemie haben wir mit Dachser Chem Logistics ein eigenes, auf die Branche zugeschnittenes Produkt, da sind wir sehr gut aufgestellt und wachsen auch überproportional zur Branche selbst. Für den Kunden sind hier Qualität und Sicherheit ausschlaggebend, da darf nichts passieren.
Welche Anstrengungen unternimmt Dachser, um bei der Nachhaltigkeit ganz vorne mit dabei zu sein?
Wir sind kein LKW-Hersteller, das ist nicht unsere Aufgabe, aber wir nehmen unsere Verantwortung wahr und haben in der Schweiz immer den neusten Fuhrpark, kein Fahrzeug ist älter als vier Jahre und es sind alles Euro-6er. Der Konzern hat den Fuso eCanter und den Mercedes eActros im Einsatz. Für uns in der Schweiz sind diese Fahrzeuge momentan aber noch zu wenig effizient. Wir gehen dafür auf die Bahn, v.a. in die Westschweiz und zurück. Wenn die saubere Technologie reif ist und Preis/Leistung stimmen, dann nehmen wir sie.

Zur Person
Urs Häner, Jahrgang 1960, ist seit Anfang 2014 Managing Director European Logistics der Schweizer Landesgesellschaft der Dachser-Gruppe. Er ist für die Steuerung und zukunftsorientierte Weiterentwicklung des Unternehmens in der Schweiz sowie die Umsetzung der Gruppenstrategie auf Landesebene verantwortlich. Häner hat seine gesamte Karriere in der Logistikbranche verbracht, davon über 20 Jahre bei Dachser.