«Die Diskussion geht weg von Emissionen, hin zur Luftqualität»

DAF-Chefingenieur Ron Borsboom im Gespräch über Verbrauchsoptimierungen, Elektrifizierung und harte Konkurrenz der Trucks für den städtischen Verteilerverkehr.

DAF Chefingenieur Ron Borsboom Interview TIR transNews
Im Paccar-Konzern sind die niederlän­dischen Motorenentwickler unter Chefingenieur Ron Borsboom für alle Triebwerke zuständig.

DAF hat seine neue LKW-Generation zuerst mit Sattelzugmaschinen lanciert. Konnten Sie die dort erzielten Verbrauchsreduktionen von bis zu sieben Prozent auch in die andern Fahrzeuge übertragen?

Ron Borsboom: Die Massnahmen bei den Motoren, der Abgasnachbehandlung, den Achsen und der Aerodynamik sind grundlegender Natur und daher auch in andern Fahrzeugen reproduzierbar. Allerdings hängen die spezifischen Verbrauchsreduktionen vom jeweiligen Einsatzzweck ab. Die Baustelle bringt andere Resultate als eine lange Fahrt bei flacher Topografie. Auch verändert sich der Nutzen eines vorausschauenden Tempomaten, ob der Einsatz in der Kurzstrecke oder Überland liegt.

Können Sie die Verbesserungen quantifizieren?

Wir gehen in Abhängigkeit von Achskonfiguration und Einsatzzweck von fünf bis sieben Prozent Verbrauchseinsparungen aus.

DAF ist eine Tochter des amerikanischen Paccar-Konzerns. Wo ist der Einfluss aus Amerika?

Die Motorenentwicklung für den ganzen Paccar-Konzern findet in Eindhoven statt. Bei Achsen und Kabinen sind wir wegen der unterschiedlichen gesetzlichen Rahmenbedingungen EU/USA selbstständig. Wir arbeiten bei der Abgasnachbehandlung und bei Fahrzeugelektrik und -elektronik zusammen. Das ist wichtig, da bei diesen teuren und aufwendigen Systemen nur ein gesundes Volumen auch rentabel produziert werden kann.

Was beispielsweise ist der Input der Amerikaner?

In Fragen wie der Abgasnachbehandlung sind es für die Region typische Anforderungen, wie beispielsweise in den kalten Gebieten von Alaska. Die Temperaturen dort sind extremer als in Europa, sodass der Einsatz des Trucks nur durch lange Leerlaufphasen garantiert werden kann, mit den entsprechenden Implikationen auf die Abgasnachbehandlung. Dementsprechend muss auch die Motorelektronik angepasst werden.

Als neues Einsteigermodell haben Sie einen 7,5-Tönner des LF für City-Logistik entworfen. Fürchten Sie da nicht die in Diskussion befindlichen Diesel-Verbote für Innenstädte?

Wir sind eine Technologie-orientierte Firma und fürchten technische Herausforderungen nicht, sehen sie vielmehr als Chance. Und wir sind gross genug, um auf künftige Geschehnisse auch passend reagieren zu können. Wir stellen heute fest, dass sich die Diesel-Bann-Diskussion weg von Emissionen, hin zur Luftqualität bewegt. Emissionen sind ein globales Problem, die Luftqualität hingegen ist ein lokales. Das haben wir kommen sehen und bereits vor rund sechs Jahren haben wir als Erste einen Concept-Truck mit Heavy-Duty-Hybrid gezeigt. Und an der IAA letztes Jahr zeigten wir eine neue Version, die gar über kürzere Distanz rein elektrisch fahren kann.

Sehen Sie mittelfristig den Elektrotruck auch im Langstreckeneinsatz?

Die Energiedichte der Batterien lässt dies noch lange nicht zu. Für den reinen Verteilerverkehr macht der Elektrotruck Sinn, und da arbeiten wir an verschiedenen Möglichkeiten. Ob da eine Reichweite von 100 km ausreicht, kann ich jedoch heute nicht abschliessend beantworten. Wir überlegen uns beispielsweise, ob ein Range-Extender die Lösung sein könnte. Für den überregionalen Einsatz sehen wir das Problem, dass das Umladen der Fracht an der Stadtgrenze nicht immer sinnvoll ist. Deshalb erachten wir hier Hybridtrucks, wie wir ihn mit dem IAA-Concept gezeigt haben, im gemischten Einsatz als besonders sinnvoll.

Zurück in die Gegenwart: Was trieb Sie dazu, einen kleinen 7,5-Tönner auf den Markt zu bringen?

Diese Gewichtsklasse ist für diverse Regionen ein sehr wichtiger Markt, beispielsweise in Grossbritannien. Insgesamt besteht eine Nachfrage, die für ein Projekt wie dem LF für die City-Logistik gross genug ist. Zudem ist das Segment insofern interessant, als dass wir Hersteller konkurrenzieren, die vom Lie­ferwagen nach oben drängen, wir jedoch bewegen uns von den grossen Trucks nach unten. Die Diskussion dreht sich um Qualität und Langlebigkeit, was wir von der Lastwagen-Philosophie angehen und dies auch im spezifischen Segment bieten können. Andere Hersteller setzen einen anderen Schwerpunkt und bieten entsprechend niedrigere Anschaffungspreise. Doch wir werden kurz- bis mittelfristig sehen, welche Werte dem Kunden wichtiger sind, zumal sich die Langlebigkeit positiv auf die im End­effekt für viele Fuhrparkbesitzer sehr wichtige Total Cost of Owner­ship TCO auswirkt. Daher – wir paaren LKW-­Quali­täten mit der für den städtischen Verteilerverkehr nötigen Lieferwagen-Wendigkeit, und das ist eine vielversprechende Kombination.

www.daf.ch/de-ch

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