Eine Million Saurer von Marcel Roskopf
MODELLBAU Die meisten Saurer wurden nicht etwa in Arbon produziert, sondern in Traunstein, einer Kleinstadt in Bayern. Weit über eine Million Exemplare verliessen innerhalb von wenigen Jahren die Nutzfahrzeugfabrik von Marcel Roskopf. Leider nur im Massstab 1:87 und passend zu H0-Modelleisenbahnen.

Anfang der 1980er-Jahre hatte TIR einen Versandhandel mit Modell-Lastwagen, der von Hans Betz, dem Vater des TIR-Gründers, betreut wurde. Plastikbausätze der Firma Monogram mit US-Fahrzeugen waren die ersten Produkte, die vertrieben wurden. Nur wenig später kamen 1:24-Bausätze mit europäischen LKW hinzu. Zu Beginn gab es nur drei Fahrzeugmarken: Sattelzugmaschinen von Volvo, MAN und Mercedes-Benz. Diese waren jedoch so begehrt, dass die Baukästen an Trucker-Treffen direkt ab Container verkauft werden konnten. Ein Modell kostete damals CHF 37.50. Mitverkauft wurde jeweils eine Tube Plastikkleber zum Preis von CHF 2.50. Bereits am frühen Nachmittag des zweiten Festivaltages war ein 20-Fuss-Container jeweils geleert.
Hersteller Roskopf
Es muss Anfang 1981 gewesen sein, als ein gewisser Marcel Roskopf Kontakt mit TIR aufnahm. TIR-Gründer Hans J. Betz war der Name Roskopf bereits als Fabrikant von Militär-LKW aus Kunststoff im Massstab 1:100 ein Begriff. Der 1928 geborene Roskopf lebte als Kind in Berlin und war begeisterter Sammler von Wiking-Schiffsmodellen. Sein gesamtes Taschengeld investierte er in diese Schiffe. Wiking ist übrigens noch heute mit Miniatur-Modellen von Autos, Bussen und LKW auf dem Markt vertreten. Die kleine Sammlung von Marcel Roskopf ging im 2. Weltkrieg bei einem Luftangriff auf Berlin jedoch verloren.

Nach dem Krieg studierte Marcel Roskopf Politik und Geschichte. Danach arbeitete er einige Jahre lang als diplomierter Politologe bei der Berliner Regierung. Nach und nach legte er sich auch wieder eine Sammlung von Wiking-Modellen zu. Ab 1955 hielt es ihn nicht mehr in der Politik. Aus dem Sammler Roskopf wurde nun ein Hersteller von feinen Miniaturen. Fortan konstruierte er eigene Modellautos, Militärlastwagen, Panzer, Fuhrwerke und Baugeräte im Massstab 1:100 aus Kunststoff. Produziert wurden die Modelle nicht nur bei Roskopf selbst, sondern auch bei Drittfirmen. Der Zusammenbau erfolgte teilweise in Heimarbeit.
Mit seinen Modellen war Marcel Roskopf so erfolgreich, dass er 1958 den Firmensitz von Berlin ins bayrische Traunreut verlegte und neue Lager- und Versandräumlichkeiten bezogen werden konnten. Bereits 1964 erfolgte ein weiterer Umzug nach Traunstein in ein grösseres Gebäude.
Roskopf entdeckt Saurer
Zwischen 1979 und 1981 musste sich Marcel Roskopf verschiedenen schweren Operationen unterziehen. Eine davon fand im Basler Bürgerspital statt. Während seiner Genesungsphase sah er von seinem Spitalzimmer aus die ihm bisher unbekannten Saurer-Lastwagen vorbeifahren. Er beschloss, davon Modelle im Massstab 1:87 zu produzieren, also passend zu H0-Modelleisenbahnen. Die Kontakte mit TIR führten zu einer ersten Modellauswahl. 1982 erschien unter der Katalognummer 401 ein Saurer D290/330 Vierachser mit Feldschlösschen-Kastenaufbau.
Danach ging es Schlag auf Schlag, es folgten 1982 ein Vierachser mit Kasten von Joost, ein Zweiachser mit Kasten und der Aufschrift Hopfenperle sowie ein Holztransporter mit drei Achsen und Hydraulikkran. Auch Berna-Modelle kamen auf den Markt. Es gab Fahrzeuge mit Auflieger und Anhänger, Varianten mit Schlafkabinen folgten, praktisch alle Grossverteiler wie etwa Migros und Coop waren vertreten, Tankwagen von Avia oder Jeanneret gab es ebenfalls. Es erschien sogar ein FBW Oldtimer-Bus, und moderne PTT-Fahrzeuge waren im Programm. Zahlreiche Modelle von Transportfirmen, darunter Wolf Chur oder Emil Egger St. Gallen, ergänzten das Programm, und Haubenfahrzeuge wie etwa Kipper und Feuerwehren wurden hergestellt. Sogar das zu jener Zeit (1983) skandalöse Sattelfahrzeug der Migros mit Albert und Anita, das auf Anweisung der Motorfahrzeugkontrolle MFK umgespritzt werden musste, gab es als Modell bei Roskopf. Relativ spät kamen die älteren Saurer vom Typ 5CH auf den Markt. Davon gab es unter anderem Modelle von Bärtschi Basel, Brechtbühl Muri und Feldschlösschen.
Durchschnittlich kosteten die Miniaturen zwischen 10 und 15 Franken. Für seltene Ausführungen werden heute Sammlerpreise von bis zu 100 Franken bezahlt. Auch im TIR-Versand waren alle serienmässig hergestellten Modelle erhältlich und Betz Senior hat unzählige davon verpackt und zur Post gebracht. Zahlreiche Käufer bauten überdies mit viel Liebe Roskopf-Modelle zu Spezial- und Sonderfahrzeugen um, die es «ab Stange» so nicht gab.
Es ist ruhig geworden
Aus gesundheitlichen Gründen hat sich Marcel Roskopf um 1990 dazu entschlossen, seine Firma zu verkaufen. 1993 übernahmen die Sieper-Werke aus Lüdenscheid (SIKU, Schuco und anderes Spielzeug) die Firma Roskopf. Das Familienunternehmen Sieper besteht seit 1923 und hat übrigens auch die Traditionsmarke Märklin vor dem Untergang gerettet. Bei Sieper befinden sich die Formen und Werkzeuge für die verschiedenen Roskopf-Modelle, die aktuell jedoch nicht produziert werden.
Allgemein wurde es recht still in der Saurer-Miniaturwelt. Einzig von Schuco gibt es mittlerweile einige sehr schöne Saurer Oldtimer-Busse im Massstab 1:87, und Arwico, ein Schweizer Grosshändler und Importeur für Modelle und Spielwaren, hat neben anderen Saurer-Fahrzeugen auch eine «Swiss Collection» mit verschiedenen Schweizer Fahrzeugen. Zudem gibt es Kleinserien-Hersteller, die schweizerische Nutzfahrzeuge fertigen. Allerdings sind bei diesen in nur kleinen Auflagen hergestellten Fahrzeugen die Preise entsprechend hoch.
Marcel Roskopf hat mit seinen Miniaturen dafür gesorgt, dass schweizerische Nutzfahrzeuge nicht ganz in Vergessenheit geraten und in Sammlungen und auf Modellbahnanlagen noch viele Jahre Bestand haben werden. Er verstarb am 21. Juni 2002 im Alter von 74 Jahren.







