Arbeiten am LKW ist handwerklicher als am Auto

GRUNDBILDUNG In der Schweiz stehen an den acht Standorten von Volvo Trucks 55 Lehrlinge in Ausbildung. Eine von ihnen ist die 17-jährige Lehrtochter Alicia Pfister, angehende Auto­mobilfachfrau EFZ in der Werkstatt des Truck Center Münchenbuchsee.

Alicia Pfister Arbeiten am LKW Volvo Trucks TIR transNews
Alicia Pfister ist eine der wenigen Frauen, die sich zum Lastwagen-Mech ausbilden lassen. Das war nicht von Anfang an geplant, aber das Arbeiten am LKW gefällt ihr ausgezeichnet.

Die Berufswahl zum Arbeiten am LKW war nicht von Anfang an klar, meint die junge Frau, die mir in Werkstattkleidern gegenüber sitzt. Einen Büroberuf habe sie sich nie vorstellen können, sagt die Lehrtochter: «Ich suchte eine Herausforderung, bei der ich mit den Händen arbeiten kann und die auch körperlich etwas von mir abverlangt.» Alicia Pfister hat sehr viel geschnuppert: Polymech, Köchin, Hotelfachfrau, Grafikerin. «Aber besonders interessiert hat mich immer mehr die Ausbildung zur Mechanikerin. Ich habe mindestens zehn Mal dafür geschnuppert.» Im Anschluss hat die heute 17-Jährige aus Biel viele Lehrstellenanfragen an ­Autogaragen geschickt, konnte sich auch an vielen Orten vorstellen gehen, hatte aber stets neben ihren männlichen Mitbewerbern den Kürzeren gezogen. Als Lackiererin hätte es zwar mit einer Stelle sogar am Wohnort geklappt. «Doch das wäre für mich nur ein Zwischenschritt gewesen. Ich wollte Mech werden.» Dass sie aber nicht festgefahren oder starrsinnig an die Berufswahl herangetreten ist, zeigt die Tatsache, dass sie auch eine Lehrzusage als Hotelfachfrau erhalten hatte.

Dass eine junge Frau die schweren Werkzeuge einsetzt, können heute noch immer viele Männer nicht akzeptieren. Davon lässt sich die 17-Jährige aber nicht beirren.

«Arbeiten am LKW ist handwerklicher»

In der Zeit entdeckte ihre Mutter ein Inserat von Volvo in Münchenbuchsee. «Sie wissen schon, dass es bei uns um Lastwagen und nicht um Autos geht?», sei sie am Telefon gefragt worden. «So bin ich eher zufällig auf die Brummis gekommen. Und ich fand das super, denn das Arbeiten mit Lastwagen ist noch eine ganze Spur ‹handwerklicher› als mit Autos», sagt sie mit ungebrochenem Enthusiasmus. «Ein Rad beim Lastwagen wiegt schnell einmal 60 kg. Und ich selber bin auch 60 kg schwer …», veranschaulicht sie ihren Punkt. «Beim ARbeiten am LKW kann man ab und an mal mit dem Hammer zu Werke gehen oder auch etwas wegflexen», sagt sie und ihre Augen blitzen kurz auf. Also pendelt sie heute täglich gut 50 Minuten zur Arbeit und gut 50 Minuten zurück.

Übrigens hatte die Marke Volvo für Alicia immer ein gutes Image, ob Personen- oder Lastwagen. «Für mich sind Volvos für seriöse Menschen und haben deshalb auch ein seriöses Image», sagt sie. Das hat vielleicht auch damit zu tun, dass ihr Vater beim PW-Importeur Volvo gearbeitet hatte, als dieser noch in Lyss war.

Die Finger bei der Arbeit verdrecken stellt für Alicia keinen Widerspruch dar zur Schminke am Abend für den Ausgang.

Unterstützung für Lernende

Die Ausbildung zur Automobilfachfrau EFZ dauert drei Jahre. Von denen hat Alicia zehn Monate hinter sich und im August startet für sie das zweite Lehrjahr. Zu diesem Zeitpunkt führt Volvo Trucks übrigens international und in der Schweiz Jokertage für Lernende ein. Diese ermöglichen es den jungen Menschen wie Alicia, an zwei praktisch frei wählbaren Tagen ohne Begründung und auch kurzfristig freizunehmen; die Jokertage kommen zu den fünf Wochen Ferien dazu. «Mit den Jokertagen stärken wir unsere Position als attraktiver, zeitgemässer Arbeitgeber», erklärt Elisabeth Ziörjen, Director Human Resources der Volvo Group (Schweiz). Damit würden auch die sonst oftmals angewendeten Notlügen vermieden, wenn Lernende kurzfristig einen Tag freinehmen wollten. «Damit fördern wir die Eigenverantwortung und die Ehrlichkeit unserer Lernenden», schliesst Elisabeth Ziörjen.

Mit der Nachwuchsförderung ist Volvo Trucks bestrebt, dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken und dabei den Bedarf an Fachpersonal aktiv abzusichern. Oder mit den Worten von Pressesprecher Remo Motta: «Wir müssen ausbilden, damit wir auch künftig Mechaniker in den Werkstätten haben.» Es ist daher nicht abwegig, wenn man die jungen angehenden Fachleute als die Zukunft der Branche sieht.

Ein Ziel und ein Weg

Alicia Pfister hat bereits ein Fernziel und träumt davon, irgendwann eine eigene Garage zu besitzen. Allerdings nicht für Lastwagen oder Busse, «mich faszinierten schon immer Muscle­-Cars», meint sie mit ­einem verschmitzten Schmunzeln. Oder, wenn sie einmal nicht mehr als Mechanikerin arbeiten würde – «das kann ich mir zwar nicht vorstellen» –, würde sie sich als Autoverkäuferin sehen. Ganz rasch sind wir wieder zurück in der Gegenwart. Alicia fühlt sich bei Volvo in Münchenbuchsee gut aufge­hoben. Und sie schätzt die Unterstützung, wie sie beispielsweise die neuen Jokertage darstellen. Deshalb möchte sie sich in diesem Umfeld auch weiterbilden. Aktuell sieht sie ihre weiteren Schritte nach der Lehre in der Weiterbildung zur Mechatronikerin und schliesslich zur Diagnostikerin. «Dann habe ich etwa alles, was ich in der Werkstatt an Ausbildung erhalten kann.» Aber auch die Möglichkeiten zu einem Arbeitsaufenthalt in einem anderen Truck Center in der Schweiz oder im Ausland klingen verlockend.

Für Volvo Trucks ist es strategisch wichtig, selber angehende Fachleute auszubilden, um der Branche eine Zukunft zu geben.

Ihre Bilanz nach zehn Monaten Arbeiten am LKW ist eigentlich sehr positiv, gibt einem aber auch zu denken: «Mir gefällt der Beruf sehr. Ich liebe, was ich hier mache.» Das Schwierigste daran seien jedoch die Männer. Neben den vielen Kunden und allen Mitarbeitern des Lehrbetriebes, die es gut fänden, dass in der Werkstatt eine doch eher zierliche Frau den Schraubenschlüssel oder den schweren Hammer schwinge, werde sie ausserhalb der Volvo-Organisation immer wieder mit Sprüchen und Kommentaren konfrontiert. «Das ist für mich aber ein grosser Ansporn, denen allen zu zeigen, dass ich den Job als Frau gut erfüllen kann. Und dass ich es bis zum Schluss schaffe.» Das Wichtigste aber sei, dass sie jeden Morgen aufstehe und sich auf die Arbeit freue. In ihrem Berufsumfeld ist Alicia weitum die einzige Frau – «überall», wie sie betont. Auch deshalb habe sie die Möglichkeit zu unserem Gespräch beim Schopf gepackt, denn sie wolle anderen jungen Frauen Mut machen: «Sie sollen es wagen, auch in diese Berufe stärker vorzudringen, um gegen die äus­seren Widerstände das zu tun, was ihnen Freude bereitet.»

Umso entspannter erlebt Alicia die Corona-Massnahmen bei Volvo Trucks, die unter anderem die Werkstätten zur Tabuzone für alle Nicht-Mechaniker machte. «Seither blieben die Kommentare und Sprüche aus.» Und da sie sich mit ihren Kollegen bestens versteht, ist die Freude an der Ausbildung nochmals gewachsen.

 

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