Elektromobilität liefert auch, wenn es hart auf hart kommt.
INTERVIEW Im März dieses Jahres legte die Designwerk Technologies AG mit den Tests ihres vollelektrischen Schneepflugs unter Extrembedingungen einen neuen Massstab für nachhaltige Winterdiensteinsätze. Wir unterhielten uns mit Co-Gründer Tobias Wülser.

Der Designwerk-Schneepflug Mid Cab Snow Plow 8×4R, aufgebaut auf einem Volvo-Chassis und ausgestattet mit 750-kWh-Batteriesystem, zwei lenkbaren Achsen und einem flexiblen Aufbausystem, wurde erstmals im Herbst 2024 am Designwerk-Sitz in Winterthur vorgestellt. Realisiert wurde das vierachsige Winterdienstfahrzeug mit Streuer, Frontpflug und Seitenflügel für den Nationalstrassenunterhalt Ostschweiz GEVI (Gebietseinheit 6). Im Extremtest auf dem Flüelapass bewältigte der Snow Plow eine 11 km lange Bergstrecke mit einer durchschnittlichen Steigung von 6,4 Prozent und rund 13.000 Tonnen schwerem Nassschnee – ein Gewicht, das dem Ladegut von über 500 voll beladenen 40-t-Sattelzügen entspricht.
«Für Strassenunterhaltsbetriebe ist der Sommer die Zeit der Vorbereitung. Für uns ging es darum, bereits heute die Einsatzfähigkeit für den kommenden Winter zu sichern – gerade für Betreiber, die hohe Anforderungen mit CO₂-Reduktionszielen verbinden müssen», erklärt Markus Erdmann, Leiter Produktmanagement.

Wir unterhielten uns mit Co-Gründer von Designwerk, Tobias Wülser, über technische Entwicklungen und Anforderungen im Markt.
TIR: Herr Wülser, was löst der Anblick dieser Bilder bei Ihnen aus?
Tobias Wülser: Für uns war das mehr als ein Test. Es war ein Statement. Elektromobilität liefert auch, wenn es hart auf hart kommt. Für unser Team von Designwerk war es ein Moment des Stolzes. Wir sind stolz darauf, mit einzigartigen Lösungen die hohen Anforderungen in Spezialanwendungen erfüllen zu können und damit einen Teil zur Dekarbonisierung des Verkehrssektors zu leisten.
Wo liegt heute Ihr Produktfokus?
Wir bleiben unserer Strategie treu und fokussieren uns auf die Nische «Elektro-Sonderfahrzeuge». Wir haben immer Lösungen entwickelt, die es bislang nicht auf dem Markt gab und die dann zum Standard wurden. Wir waren die ersten mit 500 kWh Speicherkapazität und die ersten mit einem vollelektrischen Kanalreinigungsfahrzeug. Wie der Name Designwerk andeutet, liegt unsere DNA in der Entwicklung. Diese Ausrichtung wird von unserem Mutterkonzern Volvo Group ausdrücklich anerkannt und geschätzt. Unsere Flexibilität und die hohe Entwicklungsgeschwindigkeit werden als besondere Stärken wahrgenommen – deshalb wird Designwerk gezielt mit der Umsetzung von Innovationen beauftragt, die wir früher als viele OEMs denken und schneller umsetzen können.

An der Bauma 2025 präsentierten Sie den ersten vollelektrischen E-Lkw mit 56-Meter-Hubarbeitsbühne. Ein Segment mit Potenzial?
Pronto Skylift hat die Vorteile einer elektrischen Hebebühne längst erkannt. Es ist nur logisch, ein emissionsfreies und geräuscharmes Fahrzeug dort einzusetzen, wo Menschen leben. Besonders deutlich wird der Nutzen, wenn die Arbeiten nachts stattfinden müssen.
Wo lag bei dieser Umsetzung die Knacknuss?
Grundsätzlich ist das für uns nichts Neues. Bei uns ist der rein elektrische Nebenantrieb technisch gesehen Standard, und natürlich kann die entsprechende Leistung durch verschiedene Elektromotoren variiert werden.
Wie ist der allgemeine Status heute bezüglich der Elektrifizierung von schweren Nutzfahrzeugen?
Die Elektrifizierung im Transportgewerbe nimmt derzeit rasant Fahrt auf. Laut den neuesten Zahlen von ACEA, dem Verband der europäischen Automobilhersteller, verzeichnete die Schweiz im ersten Halbjahr 2025 bei den Neuzulassungen von schweren Elektro-Lkw einen Zuwachs von 41 Prozent gegenüber dem Vorjahreszeitraum. Dabei zeigt sich immer wieder, dass es längst nicht nur um das Fahrzeug selbst geht – im Gegensatz zum herkömmlichen Tanken an der nächsten Zapfsäule innerhalb weniger Minuten erfordert die Elektromobilität ein ganzheitliches Umdenken. Transportunternehmen entwickeln sich zunehmend zu Energieanbietern und kooperieren sogar miteinander, um die Auslastung ihrer Ladeinfrastruktur gemeinsam zu optimieren.
Wo liegen die grössten Hindernisse für eine raschere Transformation?
Als wesentliches Hindernis werden oft die hohen Anschaffungskosten gesehen – Elektrofahrzeuge kosten teilweise mehr als doppelt so viel wie herkömmliche Modelle. Damit sich Unternehmen dieser finanziellen Herausforderung stellen, muss der Druck – sei es durch Marktanforderungen oder gesetzliche Vorgaben – entsprechend hoch sein. Hinzu kommt, dass Endkunden in der Regel nicht bereit sind, höhere Logistikkosten zu tragen. Ohne klare politische Rahmenbedingungen, die faire Anreize und Unterstützung schaffen, bleibt die flächendeckende Umstellung für viele Betriebe schwer umsetzbar. In diesem Umfeld fällt uns die Aufgabe der Aufklärung zu. Wir erarbeiten mit Transportunternehmen ihre individuelle Gesamtkostenrechnung für die elektrisch betriebene Variante Ihrer Anwendung und zeigen, dass sich die Elektromobilität in vielen Fällen nicht nur ökologisch, sondern auch ökonomisch rechnet.
Was sollten Unternehmer im Hinblick auf gesetzliche Fristen zur Dekarbonisierung wissen?
Das wichtigste Regularium für Betreiber in der Schweiz ist die Befreiung von der leistungsabhängigen Schwerverkehrsabgabe LSVA. Diese wurde vom Bundesrat im Mai dieses Jahres auf Anfang 2029 vorverlegt, doch die Branche wehrt sich und will die ursprüngliche Frist bis Ende 2030 zurück. Importeurseitig müssen Neufahrzeuge seit dem 1. Januar 2025 die durchschnittlichen Emissionen im Vergleich zu vor fünf Jahren um 15 Prozent unterschreiten. Bis 2050 will die Schweiz klimaneutral sein. Das entspricht den Zielen der EU. Also heisst es handeln.
Was bedeutet das bezüglich Beschaffungsplanung?
Von der Vertragsunterzeichnung bis zur finalen Auslieferung vergeht im Durchschnitt rund ein Jahr. Allein die Produktionszeit im Werk beträgt etwa drei Monate. Anschliessend folgen bei uns im Haus die Vorbereitung und Elektrifizierung, was weitere drei Monate in Anspruch nimmt. Abhängig vom gewünschten Fahrzeugaufbau und dessen Komplexität kann sich der gesamte Prozess nochmals um bis zu sechs Monate verlängern. Eine vorausschauende, langfristige Planung ist daher unerlässlich.
Der kWh-Preis von Batteriezellen sinkt mit jedem Jahr, während die Energiedichte steigt. Verleitet das nicht, mit einem Kauf zu warten?
Jeder Tag, an dem weiterhin mit Diesel gefahren wird, verursacht Mehrkosten von bis zu einem Franken pro Kilometer. Solange diese Kosten anfallen, zählt jeder elektrisch gefahrene Kilometer doppelt: Er senkt nicht nur die Betriebskosten, sondern trägt auch aktiv zum schnelleren Amortisieren der Investition bei. Und die LSVA-Befreiung macht den Umstieg noch attraktiver. Der Schlüssel zum Erfolg liegt daher im raschen Hochlauf der elektrisch gefahrenen Kilometer.
Werden die Batterien weiterhin günstiger oder flacht die Kurve ab?
Von einem Abflachen der Kurve kann keine Rede sein. Wir beobachten kontinuierliche Verbesserungen – insbesondere bei Gewicht, Langlebigkeit, Volumenreduktion, dem Einsatz nachhaltigerer Rohstoffe und, ganz entscheidend, bei der Kostenersparnis. Ein anschauliches Beispiel dafür sind die neuesten LFP-Batterien (Lithium-Eisenphosphat), die mittlerweile komplett ohne Kobalt auskommen. In den letzten Jahren konnte ihre Leistungsdichte im Schnitt jährlich um bis zu 9 Prozent gesteigert werden – ein deutliches Zeichen dafür, dass das Entwicklungspotenzial noch lange nicht ausgeschöpft ist.
Wann werden E-Lkw gleich viel kosten wie Verbrenner?
Ich bin überzeugt, dass wir diese Preisparität erreichen werden – vornehmlich, wenn die Batteriekosten weiter sinken. Schon heute ist der Elektromotor dem Verbrennungsmotor bezüglich Aufbau deutlich überlegen: Er besteht aus wesentlich weniger Teilen und ist bereits deutlich günstiger in der Herstellung. Betrachtet man zudem die wertvollen Rohstoffe, die in einem klassischen Katalysator verbaut sind, wird klar, dass sich auch auf Materialkostenseite das Blatt zunehmend zugunsten der Elektromobilität wendet.
Was passiert in fünf Jahren, wenn die LSVA ausläuft?
Das hängt stark von den politischen Weichenstellungen ab. Das Thema ist brandheiss und gerade auf dem Weg durch den parlamentarischen Prozess. Der aktuelle Vorschlag sieht ein mehrstufiges Rabatt-System ab 2030 vor, bei dem E-LKW zunächst weniger Abgaben bezahlen müssen. In Städten wie Zürich oder Genf werden «Zero Emission Zones» in den Innenstädten diskutiert. Auch lokale Fördermassnahmen müssen in Betracht gezogen werden. Wichtig ist, dass für die Unternehmen frühzeitig Planungssicherheit entsteht.

Sie setzen auch grosse Hoffnungen in ihren Mega Charger?
Wir sehen in den kommenden Jahren einen stark wachsenden Bedarf an Strom – und weil die gleichzeitige Nachfrage in grossen Mengen enorme Infrastrukturkosten verursacht, ist es entscheidend, jetzt über dezentrale Energiespeicherung nachzudenken. Besonders im Zusammenspiel mit Solaranlagen und der Tatsache, dass viele Trucks tagsüber unterwegs sind, ergibt es Sinn, die tagsüber gewonnene Energie für das Laden in der Nacht verfügbar zu machen. Auch wenn unsere Ladecontainer derzeit in der Anschaffung noch teuer erscheinen, sind sie in Bezug auf die geladene Kilowattstunde deutlich wirtschaftlicher als herkömmliche Ladesäulenlösungen. Ein klassisches Ladesäulen-Setup mit 2×350 kW verursacht rund 0.49 CHF pro geladener kWh. Unser Mega Charger, betrieben mit Solarstrom, liegt bei gleicher Leistung bei nur 0.28 CHF pro kWh. Diese Effizienz zeigt, dass unser Ansatz sowohl ökologisch als auch wirtschaftlich zukunftsfähig ist.
Designwerk-LKW werden ab 2026 mit dem Mega-Charging-Standard ausgerüstet sein. Damit wird es möglich sein, in nur 45 Minuten bis zu 500 Kilometer Reichweite zu laden. Spätestens dann dürften auch die letzten Kritiker verstummen, denn damit sind problemlos 1000 Kilometer an einem Tag machbar.
Ein Kritikpunkt ist, dass ein Mega Charger (jedes Herstellers) kostspielig ist. Es gibt günstigere Lösungen, die den CCS-Standard bis an die Grenze nutzen, mit etwas weniger Ladeleistung. Ihre Meinung?
Das stimmt – leistungsstarke CCS-Lösungen sind heute bereits sehr effizient und decken viele Anwendungsfälle gut ab. Für bestimmte Einsatzszenarien, insbesondere im regionalen oder planbaren Fernverkehr, ist das eine absolut sinnvolle Lösung. Der Mega Charger hingegen richtet sich an Flottenbetreiber mit hohem Leistungsbedarf und engen Ladezeitfenstern. Dort, wo Fahrzeuge in kurzer Zeit viel Energie brauchen – etwa in Logistik-Hubs mit engen Zeitplänen – ist MCS mittelfristig alternativlos. Zudem wird der Unterschied nicht nur bei der Ladeleistung sichtbar, sondern auch in der Systemeffizienz, Netzanbindung und langfristigen Skalierbarkeit. Und: Je grösser die Energiemenge pro Ladevorgang, desto stärker wirken sich die Betriebskosten pro Kilowattstunde aus. In Kombination mit PV-Anlagen und Pufferspeichern werden Mega Charger trotz höherer Investitionskosten auf die geladenen kWh gerechnet sogar günstiger sein als konventionelle Schnellladelösungen.
Erneuerbare Treibstoffe wie HVO100 haben Aufwind. Wenn Sie wetten müssten, was in zehn Jahren dominiert – erneuerbare Biotreibstoffe oder grüner H2?
Ich würde eine Gegenwette vorschlagen, nämlich dass der elektrische Antriebsstrang bei schweren Nutzfahrzeugen dominiert.
