Unterschriftensammlung zur Chauffeurinitiative gestartet
FACHKRÄFTEMANGEL Jedes Jahr werden in der Schweiz 5000 neue Chauffeure benötigt. 3000 davon kommen aus dem Ausland, meist aus Osteuropa. Mit der Chauffeurinitiative will Les Routiers Suisses den Beruf für heimisches Personal attraktiver machen.

Die Pandemie hat es gezeigt: Jedes Produkt des täglichen Lebens wird mit dem Lastwagen transportiert. Ohne Chauffeure fährt kein Lastwagen. Die sichere Versorgung hängt direkt mit der gesicherten Verfügbarkeit von Chauffeuren zusammen.
Trotzdem haben sich die Arbeitsbedingungen in den letzten Jahren nicht verbessert. Der Nachwuchs wird zu grossen Teilen günstig in Osteuropa gesucht. Der jetzige Bestand an Chauffeuren ist überaltert und junge Einheimische wollen den Beruf nicht ergreifen. Dies, obwohl er laut David Piras, Generalsekretär von Les Routiers Suisses interessant wäre und auch in Zukunft Potential habe. Ausserdem wachse der Druck im Transportmarkt durch ausländische Billigtransporteure jeden Tag. Regelungen zum Schutz des einheimischen Transportgewerbes würden regelmässig unterlaufen.
Mit unserer Initiative fordern wir Veränderungen an den wesentlichsten Hemmnissen. Dazu gehören angemessene Entlöhnung und Arbeitsbedingungen vergleichbar mit anderen handwerklichen Berufen, bessere Integration von Chauffeuren aus dem Ausland, kürzere Arbeitswege von ausländischen Chauffeuren, Aus- und Weiterbildung von ausländischen Chauffeure vor Ort und ein griffiges Kabotagegesetz, dass Billigkonkurrenz vom inländischen Transportmarkt fernhält», so David Piras zur Chauffeurinitiative. Und ergänzt: «In den nächsten Jahren müssen altersbedingt tausende Chauffeure ersetzt werden. Derzeit baut der Arbeitsmarkt stark auf Senioren und Anwerbungen aus Osteuropa. Um systemrelevante Dienstleistungen sichern zu können, müssen die Berufsaussichten für junge Einheimische wieder besser werden.»

Der Initiativtext verlangt u.a., dass der Bundesrat einen Mindestlohn festlegt und dass Chauffeusen und Chauffeure, die innerhalb der Schweiz Transporte durchführen, in der Schweiz oder allenfalls im grenznahen Ausland leben und wohnen müssen. Mehr Informationen und Unterschriftenbögen gibt es auf der speziell eingerichteten Webseite.
Astag will keine zusätzliche Regulierung
Der Schweizerische Nutzfahrzeugverband Astag steht der am 12. Juli lancierten «Chauffeurinitiative» von Les Routiers Suisses sehr skeptisch gegenüber. «Die Löhne im Strassentransportgewerbe sind fair, weitere staatliche Eingriffe wären überflüssig bzw. sogar kontraproduktiv», schreibt der Verband in einer Mitteilung.
Die bestehende Sozialpartnerschaft im Schweizer Strassentransportgewerbe hat sich bewährt. In mehreren Vereinbarungen auf nationaler und kantonaler Ebene konnten – zusätzlich zu den gesetzlichen Vorgaben – wichtige Errungenschaften zum beiderseitigen Nutzen von Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden ausgehandelt werden. Der Schweizerische Nutzfahrzeugverband Astag nimmt daher mit Enttäuschung und grosser Skepsis zur Kenntnis, dass Les Routiers Suisses LRS, der Verband der Berufsfahrerinnen und -fahrer, offenbar einen anderen Weg einschlagen wollen. Mit einer sogenannten «Chauffeurinitiative» sollen schweizweit verbindliche Einheitslöhne für den Güter- und Personentransport mittels Verfassungsbestimmung vorgeschrieben werden. Die Sozialpartnerschaft wird damit von LRS einseitig und unnötig in Frage gestellt», sagt Ständerat und Astag-Zentralpräsident Thierry Burkart. Und: «Es handelt sich um einen klaren Vertrauensbruch!»
Faire Löhne gemäss repräsentativer Umfrage
Grundsätzlich sei das Lohnniveau im Schweizer Strassentransport mit Lastwagen und Reisebussen laut Astag schon heute angemessen und fair. Wie eine repräsentative Umfrage, durchgeführt durch das Markt- und Meinungsforschungsinstitut gfs.Bern, im Mai 2022 ergeben habe, liege der Durchschnittslohn bei über 5500 Franken pro Monat. Das Staatssekretariat für Wirtschaft SECO bzw. die Tripartite Kommission TPK des Bundes hätten zudem mehrfach festgehalten, dass sich das Transportgewerbe in Lohnfragen zum allergrössten Teil korrekt verhält. Im Vergleich zu anderen Branchen sei keine überdurchschnittliche Missbrauchsquote festzustellen.

Die Astag legt daher grössten Wert auf die Weiterführung der Vertragsfreiheit. Löhne sollen individuell zwischen Arbeitgebenden und Arbeitnehmenden ausgehandelt werden. Von zentraler Wichtigkeit sei zudem, die bestehenden Vereinbarungen und Regulative auf kantonaler Ebene – wie bisher regelmässig geschehen – in der Verantwortung der Sektionen von Astag und LRS kontinuierlich weiterzuentwickeln. Damit konnten und können die sehr selten auftretenden, aber zum System gehörenden Meinungsverschiedenheiten (auch in Lohnfragen) oft zufriedenstellend gelöst werden. Staatliche Eingriffe seien hingegen überflüssig, kostentreibend und sogar kontraproduktiv – sie führten zu einem Lohndiktat, zu einer Lohnangleichung nach unten und zu unzumutbar hohen Vollzugskosten.
«Die Initiative ist zudem Negativwerbung und damit imageschädigend für die gesamte Branche. Vor allem wird der Chauffeurberuf völlig zu Unrecht viel schlechter dargestellt, als er in Wirklichkeit ist – was die heute schon schwierige Suche nach genügend Fachkräften weiter erschwert», so Astag-Direktor Reto Jaussi.
«Der Arbeitsmarkt im Strassentransportgewerbe funktioniert gut», ergänzt Zentralpräsident Thierry Burkart. Die definitive Haltung der Astag dazu werde an einer ausserordentlichen Delegiertenversammlung festgelegt.