Mit dem Extrem-Offroader Ineos Grenadier auf Tuchfühlung

FAHRBERICHT Nach dem Aus des Land Rover Defender in seiner Urform im Jahr 2017 fasste der Engländer Sir Jim Ratcliffe, selbst Autonarr und Abenteurer, den Plan, einen nutzenorientierten und kompromisslosen Offroader auf die Räder zu stellen. Wir sind den Ineos Grenadier ausgiebig in den Bündner Bergen gefahren.

Dank geländeoptimierter Fahrwerksgeometrie ist der Ineos Grenadier bereit für anspruchsvolle Herausforderungen.
Dank geländeoptimierter Fahrwerksgeometrie ist der Ineos Grenadier bereit für anspruchsvolle Herausforderungen.

«Der Grenadier sollte ein kompromissloser Offroader werden, absolut schnörkellos mit erstklassiger Geländetauglichkeit, Langlebigkeit und Nutzenorientierung. Er ist eine Stütze für all jene, die ein Fahrzeug als Arbeitswerkzeug benötigen. Überall auf der Welt», sagt Sir Jim Ratcliffe, Vorstandsvorsitzender der Ineos-Unternehmensgruppe (dem zweitgrössten Chemieunternehmen der Welt mit 25 000 Mitarbeitenden) und Gründer von Ineos Automotive. Und ja: Der im früheren Smart-Werk im französischen Hambach gefertigte Grenadier verfügt über alle Tugenden, die ein Expeditionsfahrzeug und Arbeitspferd – den Offroader gibt es nämlich auch mit N1-Zulassung als Nutzfahrzeug – mitbringen muss:

  • einen robusten Leiterrahmen,
  • einen permanenten Allradantrieb,
  • Geländeuntersetzung (2,5 : 1),
  • Starrachsen und
  • bis zu drei aktivierbare Sperren (Mitte, hinten, vorne).

Hinzu kommen zahlreiche praxisorientierte Details und Extras. Das Ladevolumen liegt bei über 2000 Litern, die Nutzlast je nach Ausführung zwischen 689 und 871 Kilogramm und die Anhängelast bei 3,5 Tonnen.

Den Ineos Grenadier gibt es als fünfsitzigen Station Wagon sowie als Nutzfahrzeug Utility Wagon mit – je nach Markt – zwei oder fünf Sitzen. Die im Verhältnis 30 : 70 geteilten Hecktüren erleichtern das Beladen. Die schmalere Tür ermöglicht den Zugang auch mit angekoppeltem Anhänger oder falls man schnell was aus dem Laderaum braucht. Ein Vorteil auch dann, wenn der Grenadier abschüssig steht und man die mit dem Reserverad schwerere Tür nicht aufstemmen muss. Überhaupt strotzt der Offroader vor praxistauglichen Ideen, wie etwa die in den Türen versenkten Zurrschienen, an denen man zum Beispiel eine Hängematte oder einen Abfallsack befestigen kann, wenn man irgendwo sein Nachtlager aufstellt. Oder die Stromsteckdosen seitlich am Dach für Aufbauten wie zusätzliche Scheinwerfer oder für die Energieversorgung im Dachzelt. Oder das: Als Hommage an das Profi-Radsportteam Ineos Grenadiers wurde eine zusätzliche leisere Fussgängerhupe verbaut. Sie erlaubt es, andere Verkehrsteilnehmer zu Fuss, auf dem Fahrrad oder hoch zu Ross höflich auf sich aufmerksam zu machen.

Die mittig positionierten Steuerelemente lassen sich gleichermassen von der Fahrer- und der Beifahrerseite her einfach und sicher bedienen.
Die mittig positionierten Steuerelemente lassen sich gleichermassen von der Fahrer- und der Beifahrerseite her einfach und sicher bedienen.

Robuste Konstruktion
Das Rückgrat des Grenadier bildet ein Leiterrahmen mit geschlossenem Kastenprofil aus bis zu 3,5 Millimeter dicken Stahlprofilen. Die soliden Starrachsen wurden in Zusammenarbeit mit Carraro, einem Experten in der Herstellung von schweren Traktorachsen, entwickelt. Für die Aufhängung wurden progressive Schraubenfedern, robuste Stabilisatoren sowie ein ausgeklügeltes Fünflenkersystem mit zwei Längslenkern auf beiden Seiten der Achse und einem Panhardstab gewählt. Die hydraulisch unterstützte Kugelumlauflenkung bietet mit 3,85 Umdrehungen von Anschlag zu Anschlag einen im Defender-Stil relativ grossen Wendekreis von 13,5 Metern.

Inspiriert von der Anordnung der Bedienelemente in Flugzeugcockpits sind in der Dachkonsole alle Offroad-Schalter und -Funktionen untergebracht, zum Beispiel Offroad Mode und Wading Mode.
Inspiriert von der Anordnung der Bedienelemente in Flugzeugcockpits sind in der Dachkonsole alle Offroad-Schalter und -Funktionen untergebracht, zum Beispiel Offroad Mode und Wading Mode.

Bewährte Antriebstechnik
Unter der Haube arbeitet ein 3-Liter-Sechszylinder mit Turbolader von BMW, wahlweise ein Diesel (249 PS, 550 Nm) oder ein Benziner (286 PS, 450 Nm). Jeder Grenadier verfügt über ein 8-Gang-Automatikgetriebe von ZF. Die von Magna Steyr neu kalibrierten und optimierten Getriebe sind mit einem hochleistungsfähigen Drehmomentwandler speziell für den Offroad-Einsatz ausgestattet. Zusätzlich zum serienmässigen mittleren Sperrdifferenzial im Verteilergetriebe sind zwei optionale, elektronisch gesteuerte Differenzialsperren vorn und hinten verfügbar.

Bis 80 Zentimeter tiefe Gewässer durchfährt der Grenadier problemlos. Der Wading Mode stellt lediglich den Lüfter im Motorraum ab, da sein Elektromotor sonst beschädigt werden könnte.
Bis 80 Zentimeter tiefe Gewässer durchfährt der Grenadier problemlos. Der Wading Mode stellt lediglich den Lüfter im Motorraum ab, da sein Elektromotor sonst beschädigt werden könnte.

Mehrheitlich analoger Innenraum
Das Interieur des Grenadier wurde funktional, bedienungsfreundlich und komfortabel gestaltet. Beeindruckend ist zweifellos das Cockpit mit robusten Industrie-Schalttableaus in Mittelkonsole und Dachhimmel – da wird jeder Flugzeugpilot neidisch. Wo immer es möglich war, wurde laut Ineos analoger Technik der Vorzug vor digitaler gegeben mit deutlich beschrifteten und nicht zu dicht beieinander angeordneten Tasten und robusten Drehreglern. Alle Fahrinformationen wie Geschwindigkeit, gewählter Gang und Treibstoffstand, aber auch Reifendruck, Karten, Medien, Telefonbuch, aktuelle Himmelsrichtung, Koordinaten, Lenkwinkel, Fahrzeuglage und mehr werden auf einem 12,3-Zoll-Touchscreen angezeigt.

Der Laderaum ist leicht zu reinigen, Zurrschienen vereinfachen die für Geländefahrten notwendige Ladungssicherung.
Der Laderaum ist leicht zu reinigen, Zurrschienen vereinfachen die für Geländefahrten notwendige Ladungssicherung.

Diverse Assistenzsysteme sorgen (auch) im Gelände für Sicherheit und ermöglichen selbst Offroad-Neulingen, heikle Passagen problemlos zu überwinden, wie wir selbst ausprobieren konnten. Zunächst im Offroad-Parcours von Driving Graubünden in Cazis GR, anschliessend auf steilen Naturstrassen im darüberliegenden Wald sowie auf alpinen Feldwegen, die sonst nur Kühe und landwirtschaftliche Fahrzeuge benutzen.

Beim Utility Wagon – dem Nutzfahrzeug – sind die hinteren Fensteraussparungen verblecht. Gut erkennbar ist hier die asymmetrisch geteilte Hecktüre.
Beim Utility Wagon – dem Nutzfahrzeug – sind die hinteren Fensteraussparungen verblecht. Gut erkennbar ist hier die asymmetrisch geteilte Hecktüre.

Mit dem Schaltknauf rechts neben dem Automatikhebel kann das Untersetzungsgetriebe (High/Low) zugeschaltet und (mit einem Druck nach rechts) auch das mittlere Differenzial im Verteilergetriebe gesperrt werden. Der Offroad-Mode-Knopf im Dachpanel deaktiviert Parksensoren, Gurtwarner und die Stopp-Start-Funktion des Motors. Damit ist der Grenadier bereits auf die meisten Offroad-Situationen vorbereitet. Nun noch in den manuellen Modus und Gang 1 oder 2 vorwählen und los geht’s! Wird es dabei mal richtig schlammig, so lässt sich der Fussboden im Innenraum dank fünf Ablassventile mit dem Wasserschlauch abspritzen, ohne dass Sitze oder Verkleidungen beschädigt werden.

Viel Platz auch auf der Rückbank. Die Sitzbezüge sind aus strapazierfähigem Material.
Viel Platz auch auf der Rückbank. Die Sitzbezüge sind aus strapazierfähigem Material.

Vertriebspartner in der Schweiz ist Hedin Automotive, bekannt durch mehrere BMW-Autohäuser. Für den Grenadier gibt es in Dielsdorf einen Flaggshipstore und bis das Vertriebsnetz aufgebaut ist, gilt Hol-und-Bring-Service. Der Grenadier-Einstieg beginnt beim 2-Sitzer Utility Wagon mit 70 990 Franken (Diesel sowie Benziner), für den Utility Wagon mit fünf Sitzen werden 72 290 Franken fällig.

Offroad-Technik

  • Bodenfreiheit: 264 mm
  • Wattiefe: 800 mm
  • Böschungswinkel vorn: 35,5 Grad
  • Rampenwinkel: 28,2 Grad
  • Böschungswinkel hinten: 36,1 Grad
  • Maximal zulässiger Seitenwinkel: 45 Grad
  • Vorderachsverschränkung: 9 Grad
  • Hinterachsverschränkung: 12 Grad
  • Federweg: 585 mm
  • Kriechverhältnis und -geschwindigkeit:
    53,81 und 2,04 km/h (Benzin)
    56,37 und 2,08 km/h (Diesel)

Die optionale, werkseitig eingebaute vordere Hochleistungswinde vom NATO-Zulieferer Red Winches (für die Schweiz homologiert) ist mit 13 Metern Synthetikseil aus UHMWPE (Ultra High Molecular Weight Polyethylene) ausgestattet und bietet eine Windenleistung von 5,5 Tonnen.

Auch unbefestigte Wege mit starker Steigung meistert er gekonnt.
Auch unbefestigte Wege mit starker Steigung meistert der Ineos Grenadier gekonnt.

Grenadier Serienausstattung

  • BMW 3.0 Reihensechszylinder B57 (Diesel) oder B58 (Benziner)
  • 8-Gang-Automatikgetriebe mit manueller Override-Funktion
  • Permanenter Allradantrieb
  • Chassis mit Leiterrahmen
  • Karosserie aus verzinktem Stahl
  • Carraro-Starrachsen vorn und hinten
  • Robuste Schraubenfederung
  • Zweistufiges Verteilergetriebe
  • Mitteldifferenzialsperre
  • Unterbodenschutz vorn und hinten
  • LED-Scheinwerfer
  • LED-Zusatzfernscheinwerfer
  • Im Verhältnis 30/70 geteilte Hecktüren
  • Vollwertiges Reserverad
  • Abschleppösen vorn und hinten
  • Dachreling und Dachschutzleisten
  • Recaro-Sitze
  • Zentrales Steuerungssystem
  • Bedienfeld in der Dachkonsole
  • Toot-Hupe (Fussgängerhupe)
  • Offroad Mode und Wading Mode (80 cm)
  • Pathfinder Offroad Navigation
Nebeneinandergestellt ist die Inspiration des Defender (Modelljahr 2004, links) deutlich erkennbar. (Foto: M. Schatzmann)
Nebeneinandergestellt ist die Inspiration des Defender (Modelljahr 2004, links) deutlich erkennbar. (Foto: M. Schatzmann)
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