Schweizer Start-up Flux Mobility zeigt Mut zur Lücke

ELEKTROTRANSPORTER Für kleine und mittelgrosse Lieferwagen gibt es bereits etliche Elektroversionen, jedoch nicht im Segment von 3,5 bis 5,5 Tonnen Gesamtgewicht. Mit seiner E-Transporter-Lösung hat Flux Mobility das Interesse grosser Städte geweckt und liefert bereits im Juni erste Fahrzeuge aus.

Flux Mobility AG TIR transNews
Innerhalb nur eines Jahres hat die Flux Mobility AG in Winterthur einen elektrischen Lieferwagen entwickelt, der mit Reichweite, Anhängelast und Nebenantrieb die aktuellen Bedürfnisse bei den Transportern erfüllen kann.

«Das Problem bei grossen Lieferwagen ist das Verhältnis von Reichweite und Nutzlast», sagt Duga Hoti, Geschäftsführer und Gründer von Flux Mobility AG in Winterthur. Der heute 29-jährige Ingenieur mit Hintergrund als LKW-Mechaniker war vorher verantwortlich für das Produktmanagement E-Trucks bei der Firma Designwerk, die mit den Futuricum-E-LKW über die Schweiz hinaus als Elektrovorreiter Bekanntheit erlangt hat. Heute sind grosse Lieferwagen mit Elektroantrieb zwar erhältlich, wie der MAN eTGE oder der Maxus eDeliver9, doch keiner von den bestehenden Fahrzeugen kann beispielsweise 3500 kg an den Haken nehmen und fährt auch noch 350 Kilometer weit. Diese beiden «Leistungswerte» hat das junge Team um Duga Hoti als Entwicklungsrahmen für seinen Flux-Lieferwagen gesetzt, der am 28. April 2022 offiziell lanciert wurde.

Flux bringt die neuste Batterietechnologie im Lithium-Ionen-Sektor zum Einsatz (NMC), welche die aktuell höchste Energiedichte aufweist und dadurch hohe Reichweiten und hohe Ströme beim Schnellladen mit sich bringt. Die flüssigkeitsgekühlte Batterie wird aktuell noch mit drei Kapazitätsgrössen (33 kWh, 66 kWh, 99 kWh) verbaut, soll aber künftig in nur einer Grösse mit 98 kWh angeboten werden. Sie ermöglicht eine reale Reichweite von gut 350 Kilometern (bei Redaktionsschluss lagen die Homologationswerte noch nicht vor). Die Ladebuchse wird im Kühlergrill montiert sein, doch sind für spezielle Bedürfnisse (z.B. Feuerwehr) auch andere Positionen möglich.

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Das ganze Karosserie- und Fahrgestellspektrum wird für die Kunden zu einem Flux-Lieferwagen umgebaut.

Die Wagen bieten eine Nutzlast von 2500 und mehr Kilogramm und eine gebremste Anhängelast von 3500 kg. Modelle bis 3,5 Tonnen laufen bis 130 km/h schnell. Die Schnellladefähigkeit liegt mit bis zu 130 kW auf dem Niveau moderner Personenwagen, was es ermöglicht, in weniger als 30 Minuten den Batteriestand von 20 auf 80 Prozent zu erhöhen. Schliesslich bietet der Flux-Lieferwagen auf Wunsch auch einen leistungsfähigen Nebenantrieb.

Als Basis nutzt Flux Mobility den bewährten MAN TGE. Im Motorraum wird anstelle des Diesels die Leistungselektronik untergebracht, der Elektromotor (140 kW, 1200 Nm) wird am Chassisrahmen in zentraler Position montiert und mit der Kardanwelle verbunden. Im Vorderachsbereich ist übrigens Platz für einen zweiten Elektromotor ausgespart, denn bei Flux Mobility wird intensiv über den Allradantrieb nachgedacht. «Wir müssen uns in einem zweiten Schritt dorthin bewegen, wo die OEM auch künftig nicht investieren», so Hoti. Darunter fallen neben dem AWD auch Reichweiten von bis zu 600 Kilometern. Die Entwicklung des Allradantriebs trifft auf hohes Interesse und wird deshalb auch vom Bundesamt für Energie unterstützt.

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Anschlussbox und Leistungselektronik sind dort, wo sonst der Diesel «grummelt». Noch befindet sich die Ladebuchse im Motorraum, wandert aber für die Serie in den Kühlergrill.

Um für ein Unternehmen interessant zu sein, sieht Flux Mobility einen Zielwert für den Anschaffungspreis bei maximal anderthalb Mal zum Dieselpendant. Und spätestens nach vier Jahren müssten sich die Mehrkosten amortisieren lassen, damit die TCO das Dieselniveau egalisiert oder unterschreitet.

MAN Truck & Bus Schweiz AG begleitet Flux auf dem Weg in den Schweizer Markt. «Wir sind beeindruckt von der Leistung des Teams um Duga Hoti», erklärte Ron Ziegler, Leiter des Lieferwagengeschäfts bei MAN Truck & Bus Schweiz, anlässlich der Produktlancierung. Und man sei zudem beeindruckt von der Innovationskraft dieses jungen Schweizer Unternehmens. Eingerichtet hat sich die Flux Mobility AG im ehemaligen Rieter-Areal in Winterthur. Hier werden auch die ersten 15 Fahrzeuge hergestellt werden. Bereits sind die ersten zehn «Early-Mover»-Kundenfahrzeuge bestellt, die bis August in Betrieb gehen werden. Ab dem kommenden Jahr will Flux Mobility «Spezialfahrzeuge», die besondere Entwicklungen erfordern, in Winterthur selbst produzieren. Die Standardfahrzeuge hingegen sollen extern produziert werden, die entsprechenden Abklärungen laufen auf Hochtouren. «Wir setzen alles daran, für unsere externen Arbeiten und für Komponenten Schweizer Firmen zu berücksichtigen», bekräftigt Duga Hoti. Das trifft zwar nicht auf die Batterie zu – die kommt aus Deutschland –, aber auf den Produktionspartner und auf Elemente wie die Kabelstränge.

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Das MAN-Cockpit wird übernommen. Noch wird die Fahrtrichtung mit Drucktasten gesteuert, künftig wird der Automatikhebel des MAN TGE benutzt.

Auch die App «Flux Drive» wurde in der Schweiz entwickelt, und mit der IoT-Technologie (Internet of Things) liefert sie Daten wie Fahrzeugstandort, Ladestand der Batterie und Fehlermeldungen. Mit der App können aber auch Befehle ans Fahrzeug gesendet werden, beispielsweise für die Standheizung. Daneben wurde für die Flottenmanager das cloudbasierte Onlineportal «Flux Fleet» entwickelt.

Das Mehrgewicht gegenüber dem Dieselpendant liegt mit der grössten Batterie bei rund 400 kg. Dank der neuen Gesetzgebung zu Gewichten und Abmessungen darf dieses Mehrgewicht durch ein entsprechend erhöhtes Gesamtgewicht kompensiert werden (Nutzlast bleibt unverändert). Fahrzeuge, die dadurch über die 3,5-Tonnen-Grenze kommen, dürfen zudem auch weiterhin mit dem B-Ausweis gefahren werden und fallen auch nicht unter das Nacht- und Sonntagsfahrverbot.

www.fluxmobility.ch

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Duga Hoti hat die Firma gegründet und mit seinem jungen Expertenteam die Idee in die Realität umgesetzt.
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