Der eActros LongHaul läutet neue E-Truck-Ära ein

INNOVATION AWARD 2023 Auf der diesjährigen IAA Transportation zeigte Mercedes-Benz den Prototypen des langstreckentauglichen eActros LongHaul, der eine neue Elektroarchitektur, eine neue Batteriezellenstruktur und neue Antriebsmotoren umfasst.

Mercedes-Benz eActros LongHaul Truck Innovation Award 2023 TIR transNews
Der eActros LongHaul soll 2024 auf den Markt kommen und über 500 Kilometer Reichweite verfügen. Optik und Aerodynamik werden gegenüber dem Prototypen (Bild) noch sichtbar verändert werden.

Es ist kein Geheimnis, dass Daimler Truck eine Doppelstrategie verfolgt, die einerseits auf batterieelektrische (BEV) und andererseits auf brennstoffzellen-elektrische Antriebe (FCEV) beim emissionsfreien Lastwagen setzt. Da jedoch der Wasserstoff-LKW von Mercedes-Benz noch mindestens fünf Jahre auf sich warten lässt, werden in der Praxis vorerst die Batteriefahrzeuge anzutreffen sein. Der erst vor wenigen Monaten auf dem Markt eingeführte eActros 300/400 bietet sich vor allem für regionale Transportanliegen an, doch wird mit Hochdruck an einem Fahrzeug für den Überlandbetrieb gearbeitet. Wie dieser Langstrecken-BEV aussehen könnte, zeigt Daimler Truck nun mit dem Prototypen des eActros LongHaul (engl. = Fernverkehr).

Neue E-Truck-Plattform
Weil Reichweiten von 500 Kilometern und mehr mit der aktuellen Batterie- und Antriebstechnologie noch kaum realisierbar sind, entwickelt Daimler Truck an einer neuen Plattform, welche in Sachen Hochvolt-Technologie, Batteriezelle, Ladegeschwindigkeit und Antriebsleistung besondere Fähigkeiten bietet. Michael Wolf, technischer Leiter bei der LongHaul-Entwicklung, führt als Grundlage die Umstellung auf eine 800-Volt-Topologie ins Feld. «800 Volt ist die Zukunft», meint Wolf anlässlich einer Präsentation im Vorfeld der IAA am Werk in Wörth. Deshalb wird die 800-Volt-Technik auch die künftige Basis aller E-LKW sein. «Wir bauen auf ihr die neue E-Truck-Plattform auf.»

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Noch ist Megawatt-Charging in Entwicklung, doch soll der MCSStecker in Absprache mit anderen OEM stets links angebracht sein.

Eine weitere zentrale Neuerung für Daimler ist die verwendete Batterietechnologie Lithium-Eisenphosphat LFP. Im Gegensatz zu Li-Ion-Batterien kann bei LFP praktisch die volle Kapazität auch für den Antrieb genutzt werden. LFP hat zwar eine geringere Energiedichte, aber eine bessere Lade- und Entladeeffizienz und eine höhere  Lebensdauer. Entsprechend gibt Daimler Truck auch eine Garantie auf der Batterie von zehn Jahren und 1,2 Mio. Kilometer. Die Batterie wird über 600 kWh Kapazität aufweisen.

Um gegen die höhere Belastung durch die längeren Laufzeiten im Fernverkehrseinsatz gewappnet zu sein, kommen neue Elektromotoren zum Einsatz. Sie werden
praktisch gleich verbaut, wie dies beim eActros bereits heute der Fall ist. Dabei sind die beiden Motoren achsnah platziert und treiben über ein Mehrganggetriebe («mehr als zwei Gänge») und das Achsdifferenzial die Räder an. Mit mehr als 600 kW (über 816 PS) Spitzenleistung dürfte denn auch kein Leistungsmangel zu beklagen sein.

Im Verbund mit der 800-Volt-Architektur lässt sich die Batterie im eActros LongHaul an einem CCS-Fastcharger in rund 45 Minuten von 20 auf 80 Prozent Kapazität aufladen. Wird dereinst das Megawatt-Laden (MCS) möglich sein, soll dieser Wert weit unter einer halben Stunde zu liegen kommen. Die Krux dabei ist, dass sich MCS noch in der Entwicklung befindet, aber ab 2024 etwa bereit stehen soll; dann erst soll auch der eActros LongHaul auf die Strasse kommen. Übrigens soll die Ladebuchse für MCS immer auf der linken Fahrzeugseite angebracht werden, eine Abmachung der laufenden Standardisierung dieser Ladetechnologie.

Aggregate verteilen
Mit der ganzen Technologie wird das Fahrzeug schwerer als ein Diesel-Lastwagen, doch kann der eActros LongHaul zwei Tonnen mehr Gesamtgewicht aufweisen,
was durch die neue EU-Gesetzgebung zu Abmessungen und Gewichten ermöglicht wird. Gleichwohl ist ein Nutzlastverlust von zwei bis drei Tonnen zu verzeichnen,
der jedoch nicht im Zusatzgewicht zu suchen ist, sondern vor allem in der Achslastverteilung.

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Der Rahmen soll vor allem für die Batterien frei gehalten werden.

Die Batterien stehen auf einem speziellen Rahmen, der wiederum ans Chassis montiert ist. Das ermöglicht es, eine gleiche Bodenfreiheit wie beim Diesel zu erhalten, sorgt
aber zugleich für eine hohe Crash-Sicherheit. Im ehemaligen Motorraum unter der Kabine werden diverse Aggregate untergebracht, wie die Hydraulik-Elemente, damit der Chassisrahmen frei bleibt für die Batterien.

Dass die Assistenzsysteme nicht 1:1 aus den Dieselfahrzeugen übernommen werden können, zeigt sich exemplarisch an der vorausschauenden Antriebsstrangkontrolle
PPC. Vor allem die Implementierung der Rekuperation (Peakleistung 600 kW) ist eine Herausforderung. «Wir arbeiten intensiv an der Integration der verschiedenen Assistenzsysteme und gehen davon aus, auch PPC bis zur Markteinführung 2024 bereit zu haben», sagt Michael Wolf. Dann soll PPC auch für die anderen eActros verfügbar gemacht werden, was dank Updates Over-the-air auch rückwirkend möglich sein wird.

Der eActros LongHaul soll als Zugmaschine (4×2) und als Fahrgestell (4×2 und 6×2) angeboten werden. In der Serienversion wird auch eine nochmals geänderte Optik eingesetzt werden, die vor allem eine noch bessere Aerodynamik bietet.

Auswahl vergrössert
Derweilen führt Daimler Truck die Produkterweiterungen beim aktuellen eActros weiter. In rund einem Jahr soll vom eActros 300 eine Sattelzugmaschine erhältlich sein, die auf den schweren Verteilerverkehr zugeschnitten ist. Zudem wurden auf der IAA zwei elektrische Kipperlösungen von Palfinger und Meiller auf dem eActros 300/400 gezeigt sowie ein Kühlaufbau von Kiesling.

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Neu bringt Mercedes vom eActros 300 auch eine Sattelzugmaschine.
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