Leise, effizient, wartungsarm – und von Messer Schweiz AG
WASSERSTOFF TANKEN Das Industriegasunternehmen Messer Schweiz AG in Lenzburg hat eine neue, revolutionäre Wasserstofftankstelle präsentiert. Der thermische Verdichter arbeitet mittels chemischer Prozesse und ohne Strom. Er ist behördlich abgenommen und marktbereit.

Bei neuen Technologien für Fahrzeuge spielt nicht nur das Fahrzeug selbst eine wichtige Rolle, sondern in den meisten Fällen auch die Infrastruktur, mit welcher die Energie für die neue Technologie bezogen werden kann. Die berühmte Frage vom Huhn und vom Ei wurde in der Schweiz beim Wasserstoff durch den Aufbau einer Kreislaufwirtschaft gelöst. Dabei setzte man bislang auf die bewährten Tankanlagen von Maximator, auch weil es zu Beginn kaum Alternativen dazu gab. Um den Wasserstoff mit 350 bar (Lastwagen) und 700 bar (Autos) betanken zu können, verfügen die Anlagen über Kompressoren. Diese weisen einen nicht unbedeutenden Energiebedarf auf und verlangen in bewohnter Umgebung wegen der mechanischen Kompression zusätzliche Isolationsmassnahmen zum Schutz vor übermässiger Geräuschbelastung. Vor diesem Hintergrund bringt die Messer Schweiz AG aus Lenzburg jetzt eine Alternative auf den Markt.

Messer ist eines der führenden Industriegasunternehmen der Schweiz und liefert seit mehr als 100 Jahren Industrie-, Medizinal-, Pharma- und Lebensmittelgase an Firmen weltweit und in der Schweiz, an Spitäler und an Forschungsinstitute. Darin enthalten ist seit Langem auch Wasserstoff. Und für die Betankung von Wasserstoff hat Messer Schweiz jetzt eine eigene Tankstelle vorgestellt.
Chemische Reaktionen
Dafür nutzt Messer eine Entwicklung von GRZ Technologies aus Avenches. GRZ ist ein Spin-off der Technischen Hochschule Lausanne (EPFL). Als Ableitung einer Dauerspeicherlösung für Wasserstoff hat GRZ einen Wasserstoffverdichter entwickelt, der auf Metallhydriden basiert, daher mit Abwärme funktioniert und ohne zusätzliche Stromversorgung auskommt. Dadurch wird eine Betankung ermöglicht, die besonders effizient und ressourcenschonend ist. In Ermangelung von beweglichen Teilen für die Kompression ist das System praktisch geräuschlos und benötigt auch keine massiven Fundamente.

Bei Metallhydriden wird der zugeführte Wasserstoff atomar an der Struktur einer besonderen Metalllegierung chemisch absorbiert. Für die Freisetzung des Wasserstoffs wird Wärme zugeführt, was den gebundenen Wasserstoff aus dem Metallhydrid herauslöst. Der zu erzielende Druck wird durch die Temperaturzufuhr bestimmt und lässt sich einfach entsprechend justieren. Bis zum Abschluss der Betankung wird der Druck durch Wärmezufuhr konstant gehalten. Zum Schluss verbleibt die ursprüngliche Metalllegierung im Behälter.
Grösse fast frei definierbar
Die Grösse des Metallbehälters respektive der Metalllegierung definiert die Menge Wasserstoff, die absorbiert werden kann. Für einen Gabelstapler mit 2 kg Tankbehälter ist die Dimensionierung entsprechend kleiner als für einen Hyundai Xcient Fuel Cell mit 31 kg oder für einen Wasserstoffbus von Solaris mit ebenfalls über 30 kg Fassungsvermögen. Nach einem Tankvorgang kühlt sich die Metalllegierung wieder ab und kann dann erneut mit Wasserstoff «beladen» werden. Durch aktive Kühlung kann dieser Prozess beschleunigt werden, sodass ein neuer Zyklus und damit eine erneute Fahrzeugbetankung rascher wieder gestartet werden kann. Bei besonders hohem Bedarf oder kontinuierlichem Wasserstoffbezug besteht gemäss Messer die Möglichkeit, mehrere Verdichter parallel zu schalten.

Die Anfang Juli am eigenen Standort in Lenzburg präsentierte Tankanlage hatte Messer ursprünglich für den Betrieb des eigenen Gabelstaplers konzipiert und sollte auch als Demonstrator dienen. Gleichwohl besteht bereits eine erste kommerzielle Zusammenarbeit für den Betrieb eines Wasserstoffbusses. Dieser wird seit wenigen Wochen von Voegtlin-Meyer im Auftrag von Postauto ab Brugg/Windisch eingesetzt. Täglich steht der Solaris-Bus am späteren Vormittag bei Messer Lenzburg und wird – halt etwas verlangsamt – betankt. «Eine einmalige Betankung reicht für den ganzen Tag aus», erklärt Reto Huber, Geschäftsleitungsmitglied bei Voegtlin-Meyer, am Rande der Tankstellenpräsentation. Und man ist überzeugt vom Wasserstoffeinsatz im Bus. Bis Anfang 2026 soll die Anzahl Brennstoffzellenbusse auf zehn anwachsen, man will bis Anfang 2026 auch eine eigene Tankstelle im Depot erstellt haben und mit eigenem Elektrolyseur am Fluss den eigenen Wasserstoff produzieren.
Weiterführende Pläne von Messer Schweiz
Doch Messer Schweiz will sich nicht mit kommerziellen Tankstellenlösungen begnügen, sondern arbeitet mit Speicher und Kompressor auch an Privatlösungen. Eine solche könnte eine eigene Wasserstoffproduktion umfassen, welche Überschussstrom aus Photovoltaik oder Wärmepumpe nutzt, im eigenen Elektrolyseur Wasserstoff produziert und diesen im Metallhydridbehälter «bunkert». So steht dem Nutzer grüner Wasserstoff für die Betankung des Brennstoffzellenautos zur Verfügung oder gegebenenfalls auch zum Beheizen des Hauses. Die geräuscharme Funktion lässt den Einsatz in Wohngebieten zu und die chemische Bindung des Wasserstoffs im Metallhydrid reduziert ein mögliches Gefahrenpotenzial zusätzlich.

Technisch wäre ein solches System bereits machbar und würde sich gemäss Messer auch finanzieren lassen. Doch wie so oft bei neuen Technologien hinkt die Gesetzgebung noch hinter den technischen Möglichkeiten her. Entsprechend fehlen die brauchbaren Rahmenbedingungen für die Umsetzung im privaten Rahmen. «Hingegen ist die Tankstelle generell abgenommen», erklärt Hans M. Kellner, CEO Messer Schweiz. So kann die Tankstelle als thermodynamischer Verdichter für industrielle Einsätze und mit Tankstellenbetreibern jetzt vermarktet werden.