Die Zukunft des Transportwesens gestalten

ABFALLSAMMLUNG Die Läderach Worb AG sammelt unter anderem den Müll bei 20 Gemeinden im Eingang zum Emmental ein. Unter den acht Abfallsammlern sind seit Kurzem auch zwei Elektro-LKW, ein Volvo FE Electric und ein Mercedes eActros.

Der eActros ist seit diesem Sommer bei der Läderach Worb AG im Einsatz. Aus topografischen Gründen hatte man sich gegen einen eEconic entschieden. Das Läderach-Fahrzeug war der erste eActros in der Schweiz für Abfallsammel- aufgaben.
Der eActros ist seit diesem Sommer bei der Läderach Worb AG im Einsatz. Aus topografischen Gründen hatte man sich gegen einen eEconic entschieden. Das Läderach-Fahrzeug war der erste eActros in der Schweiz als Abfallsammler.

Der Klimawandel ist der grosse Treiber von Veränderungen. So haben auch Städte und Kommunen neue Eckpunkte gesetzt, um rasch den Ausstoss von klimaschädlichen Stoffen und andere Umwelteinflüsse zu reduzieren. Entsprechend findet in immer mehr Ausschreibungen für kommunale Transportaufträge, wie die Abfallsammlung, die Pflicht des Alternativantriebs bei den Fahrzeugen Eingang. «Für uns war schon früh klar, dass wir uns in diese Richtung bewegen müssen, um für unser Standbein der Abfallentsorgung auch eine Zukunft zu haben», sagt Nicolas Läderach, Co-Geschäftsleiter der Läderach Worb AG (zusammen mit Vater Stefan Läderach). Der Jurist, der zwar seit vielen Jahren immer wieder im Familienbetrieb mitgearbeitet hat, ist erst 2022 ganz in das Unternehmen eingestiegen, um es als künftiger Firmenchef in sechster Generation weiterzuführen. Nicolas Läderach hatte unter anderem die ISO-Zertifizierung des elterlichen Betriebes erarbeitet: «Das hat mir auch einen tiefen Einblick in die Unternehmung gegeben, wovon ich bei meinen jetzigen und auch bei den noch auf mich zukommenden Aufgaben profitieren kann.»

Mit acht Sammellastwagen bedient das Familienunternehmen mit Standort beim Bahnhof SBB in Worb 20 Gemeinden; auf dem Werksgelände betreibt die Läderach Worb AG auch einen Entsorgungshof. Alle weiteren rund 40 Lastwagen der Flotte stehen für Baustellen- und Überlandtransporte im Einsatz. Innerhalb weniger Monate hat man bei der Läderach Worb AG zwei Diesel-Sammelfahrzeuge durch Elektro-LKW ersetzt. Den Anfang machte ein Volvo FE Electric im Herbst 2022, diesen Sommer folgte dann der Mercedes-Benz eActros. Letzterer war bei seiner Bestellung vor zwei Jahren das erste eActros-Modell in der Schweiz, das für die Aufgabe der Abfallsammlung vorgesehen war.

Bereits im letzten Herbst hatte man den Volvo FE Electric eingeführt. Mit ihm und dem eActros steigt man bei Läderach ins Zeitalter der neuen Antriebstechnologien ein.
Bereits im letzten Herbst hatte man den Volvo FE Electric eingeführt. Mit ihm und dem eActros steigt man bei Läderach ins Zeitalter der neuen Antriebstechnologien ein.

Läderach widersetzt sich dem Gebrauch des heutigen Schlagworts «Nachhaltigkeit», gleichwohl hat er klare Vorstellungen dazu: «Nachhaltigkeit muss regional wirksam sein, und sie muss sozial und wirtschaftlich tragbar sein.» Um an diesen Punkt zu gelangen, versuche man dauernd die Zukunft zu ergründen, um besser abschätzen zu können, wohin die Reise der Unternehmung gehen könnte. «Ein gesundes Wachstum können wir nur sicherstellen, wenn wir uns stetig an die Marktentwicklung anpassen.»

Teure E-Mobilität

Zentral für eine gesunde Entwicklung sieht Läderach die konstante Investition. Allerdings wollen Investitionen gut überlegt sein, bei Elektro-Lastwagen noch mehr, da sie in der Anschaffung zwei- bis über dreimal teurer sind als herkömmliche Diesel-LKW. Mit Tagestouren von etwa 100 Kilometern bringt das Erlassen der LSVA bei Sammelfahrzeugen nur eine kleine Kostenlinderung. Doch weil es in Zukunft noch schwerer werden wird, ohne E-LKW bei Ausschreibungen teilnehmen zu können, ist diese Investition für eine Zukunftsperspektive eine Notwendigkeit. Unerfreulich dabei ist es, dass Gemeinden zwar E-LKW fordern, sie aber praktisch keinerlei Kompensation für den hohen Mehrpreis dieser Fahrzeuge vorsehen.

Von den Privatunternehmen ist deshalb eine rechte Portion Pioniergeist gefragt, um in die neue Technologie einzusteigen. Und wegen der hohen Anschaffungspreise müssen Entscheidungen gut überlegt sein. Läderach: «Anders als vielleicht städtische Abfallentsorger tragen wir das finanzielle Risiko allein und haben nie solche Geld-Ressourcen, um notfalls einen neuen Versuch mit einem anderen Produkt zu starten.» Zudem hätten Kommunen damit begonnen, bei der Vergabe verkürzte Vertragslaufzeiten einzuführen – z.B. vier statt wie früher acht Jahre –, was die Planungssicherheit verkleinere und eine Amortisation der Fahrzeuganschaffung erschwere oder gar verunmögliche. So ist die Zuverlässigkeit der neuen Antriebstechnologie von essenzieller Wichtigkeit, weshalb Läderach in Erwartung höherer Zuverlässigkeit auf Produkte «ab Stange» setzt: «Wir haben deshalb so lange mit den ersten Anschaffungen zugewartet, bis OEMs mit Serienprodukten auf den Markt kamen.»

Wichtig für Läderach war es, Fahrzeuge «ab Stange» einzusetzen, da man als Privatunternehmen noch stärker auf eine hohe Zuverlässigkeit angewiesen ist. Im Bild der Volvo FE Electric.
Wichtig für Läderach war es, Fahrzeuge «ab Stange» einzusetzen, da man als Privatunternehmen noch stärker auf eine hohe Zuverlässigkeit angewiesen ist. Im Bild der Volvo FE Electric.

Um möglichst viele unterschiedliche Erfahrungen sammeln zu können, war bei Läderach von Beginn weg klar, dass Produkte verschiedener Hersteller zum Zug kommen sollten. Für Volvo sprach, dass die Schweden nicht nur Vorreiter bei E-LKW sind, sondern dass sie den Kreislauf der Bauteile nach Einsatzende garantieren können. Zudem rollt der Volvo FE Electric mit integriertem Ladegerät an, sodass er an Wechselstrom- und an Gleichstromladestationen angeschlossen werden kann. Der eActros ist allein auf DC-Ladung ausgelegt, hat daher keinen Konverter und somit mehr Platz für Batterien, was eine grössere Reichweite zur Folge hat, benötigt aber deshalb zwingend eine teurere Gleichstromladestation auf dem Werkhof.

Schliesslich sollte zusätzlich ein dritter E-LKW angeschafft werden, doch weil die Stromkapazität am Standort in Worb für drei E-Lastwagen noch nicht gewährleistet ist, musste man sich auf zwei Fahrzeuge beschränken. «Wir sehen hier exemplarisch, dass die Feinverteilung des Stroms auf einzelne Ladestationen kaum das Problem ist, hingegen die grosse Standortzuleitung schon», urteilt Nicolas Läderach. Im Zusammenhang solcher Versorgungsengpässe wäre Kvyreen eine mögliche Übergangslösung; es ist eine mobile Ladestation, die den Strom netzunabhängig aus einem H2-Brennstoffzellenaggregat bezieht.

Über den Tellerrand hinaus

Bei der Evaluation von Antriebstechnik blickt man bei Läderach über den batterieelektrischen Antrieb BEV hinaus und beobachtet das ganze Umfeld stetig. Dazu wird der rege Austausch mit anderen Unternehmungen gepflegt, um von Erfahrungen zu profitieren oder gegebenenfalls Kooperationen zu schmieden. Auch den Brennstoffzellenantrieb FCEV hat man ins Auge gefasst, doch sprechen die aktuellen Rahmenbedingungen gegen den Einsatz in Worb. Abgesehen davon, dass Hyundai als lange einziger FCEV-Truck-Anbieter erst seit Kurzem einen Dreiachser anbieten kann, liegt die nächste H2-Tankmöglichkeit (Raststätte A1 Grauholz) so weit weg, dass sich der Umweg ab Worb nicht rechtfertigen würde.

Dass man bei der Läderach Worb AG mit den Abfallsammelwagen auf Erfahrungssuche geht und nicht mit den Baustellen- und Überlandtrucks, liegt nicht nur daran, dass man sich die Chancen auf Ausschreibungen intakt halten will. Vielmehr sind die Tagestouren vorgegeben und sind daher gut plan- und absehbar. Ziel ist es, im Betrieb den Umgang mit Fahren und Laden zu lernen und dass die Chauffeure Erfahrungen mit der neuen Technologie sammeln. Darin sollen auch die Chauffeure der anderen Lastwagen sowie die Lernenden bei der Läderach Worb AG mit eingeschlossen werden.

Der Stummer-Aufbau ist eine Neuentwicklung und mit dem Clean-Drive-Antrieb speziell für Elektrofahrzeuge konzipiert.
Der Stummer-Aufbau ist eine Neuentwicklung und mit dem Clean-Drive-Antrieb speziell für Elektrofahrzeuge konzipiert.

«Die ersten Erfahrungen mit beiden E-LKW sind positiv», zeigt sich Nicolas Läderach zufrieden. Chauffeure wie Einsammler profitieren von der viel geringeren Lärmentwicklung der BEV-Trucks und davon, dass keine Abgase und viel weniger Feinstaub anfallen. Der ruhige und abgasfreie Betrieb wird auch von den Kunden geschätzt, wie etliche Rückmeldungen während der Touren bestätigen. Übrigens kauft die Läderach Worb AG ausschliesslich grünen Strom von der BKW. Zudem ist man in Abklärung für eine Solaranlage auf den Dächern, was in der Unternehmung mit Blick darauf, dass die E-Trucks dann unterwegs sind, wenn der Solarstrom produziert würde, noch viele Fragen aufwirft. Nicolas Läderach rechnet bei den zwei eingesetzten Abfallsammellastwagen mit einer Einsparung von jährlich zwischen 60 und 100 Tonnen CO2.

Die grösste Anzahl Fahrzeuge bei der Läderach Worb AG kommt von Mercedes, daneben sind ein paar MAN im Fuhrpark und eben der elektrische Volvo FE. Entsprechend wird ein reger Kontakt mit der Merbag Bern gepflegt. Deshalb war auch von Beginn an klar, dass die Läderach Worb AG gerne zusammen mit dem langjährigen Partner Mercedes-Benz den Schritt in die E-LKW-Zukunft wagen wollte.

Partner Merbag Bern

Übernahme des Mercedes-Benz eActros durch (v.l.): Nicolas Läderach, Stefan Läderach (er hält die Mercedes-Trophäe «First eMover in Switzerland» in der Hand), Thomas Hänni (Merbag) und Chauffeur Urs Aebischer, der seit 33 Jahren bei Läderach arbeitet.
Übernahme des Mercedes-Benz eActros durch (v.l.): Nicolas Läderach, Stefan Läderach (er hält die Mercedes-Trophäe «First eMover in Switzerland» in der Hand), Thomas Hänni (Merbag) und Chauffeur Urs Aebischer, der seit 33 Jahren bei Läderach arbeitet.

Über den eActros hatte man sich im Rahmen der letzten transport-CH im Herbst 2021 mit der Merbag und dem Importeur zu unterhalten begonnen. Wegen der Topografie am Eingang zum Emmental kam übrigens bei der Läderach Worb AG der elektrische Econic sowieso nicht infrage. Mit dem eEconic wäre man auf einigen Tagestouren vorne mit der Niederflurkabine auf der Strasse aufgeschlagen.

«Wir haben das Projekt von Läderach Worb AG von Anfang an mit viel Energie unterstützt», sagt Thomas Hänni, LKW-Verkäufer bei der Merbag Bern. Wie das bei neuen Produkten aber normal ist, lief nicht alles ganz rund bei der Umsetzung mit dem eActros. Vor allem der für den Aufbau unabdingbare leistungsfähige Nebenantrieb (ZF eWorks) war bei der Anlieferung des Fahrzeugs noch nicht freigegeben, was dann zu einer längeren Verzögerung im Projekt führte. Sobald der Nebenantrieb aber freigegeben war, stand der Umsetzung nichts mehr im Weg. Beim Aufbau von Stummer handelt es sich ebenfalls um eine Neuheit, denn der Medium X2 wurde mit dem sogenannten Clean-Drive-Antrieb speziell für Elektro-LKW entwickelt.

Noch ist die Anzahl von Mercedes-Elektro-LKW in der Schweiz überschaubar, wie Thomas Hänni bestätigt. «Aber mit jedem Fahrzeug wächst auch unser Know-how im Umgang mit der neuen Technologie.» Dabei habe sich seine Tätigkeit im Verkauf nur unwesentlich verändert. Fragen zu Stromnetz, Routenwahl und Batteriegrösse würden nicht erst beim Kaufabschluss angegangen, sondern fliessen in die Frühberatung ein. Und da stünden dem Verkäufer vor Ort zwei sogenannte E-Consultants des Importeurs Daimler Truck Schweiz zur Seite, und für spezifische Fragen zu Ladeinfrastruktur und Ladegeräte kann ein Berater von Siemens beigezogen werden. Hänni: «Die Kunden, die einen eActros oder einen eEconic bei uns bestellen, haben den ganzen Hintergrundcheck bereits gemacht und wissen über Lieferkapazitäten ihres Stromversorgers und Ladestationen Bescheid.»

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