Der Ladepark von Hugelshofer wird zum Proof of Concept

ELEKTRIFIZIERUNG Eine Lastwagenflotte zu elektrifizieren ist eine besondere Herausforderung. Zwar wächst das Fahrzeugangebot gerade stark an, doch wie können 20 und mehr Lastwagen im Einklang mit der Transportaufgabe einer Firma geladen werden?

Ladepark von Hugelshofer TIR transNews
Bis in vier Jahren will die Hugelshofer-Gruppe 70 elektrische Lastwagen in Betrieb haben. Heute laufen die technischen Vorbereitungen für den Ladepark von Hugelshofer, der das ermöglichen soll.

Nachhaltigkeit ist nicht erst seit Kurzem ein Anliegen der Hugelshofer-Gruppe. Nachhaltigkeit ist eine Kostenfrage und «Nachhaltigkeit ist Ethik», wie Martin Lörtscher, CEO der Hugelshofer-Gruppe, betont. Für sein mit 200 Lastwagen als mittelständisch geltendes Unternehmen ist Martin Lörtscher stets auf der Suche nach dem Optimum. Firmeneigene Fahreraus- und -weiterbildung hat zum Ziel, die Kompetenz der Mitarbeitenden zu steigern und dabei auch den jährlichen Treibstofflverbrauch um jeweils fünf Prozent zu reduzieren. Dabei verlässt man sich nicht nur aufs eigene Urteil, sondern lässt sich seit nunmehr zehn Jahren durch Ecovadis, die renommierte Agentur für Nachhaltigkeitsratings, bewerten. Im aktuellsten Ecovadis-Rating von letztem Herbst schliesst Hugelshofer Logistik in allen vier Bewertungskriterien (Umwelt, Arbeitsrechte, Ethik, nachhaltige Beschaffung) über dem Branchenschnitt ab.

Die Reduktion der Emissionen im Güterverkehr sieht bei Hugelshofer mehrschichtig aus. Dank kombiniertem Verkehr wurden auf der Strecke Basel–Gossau zwei Mio. Strassenkilometer auf die Schiene verlagert. Dort, wo es möglich ist, werden Doppelstock-Auflieger eingesetzt, mit denen die Transportkapazität um einen Drittel erhöht werden kann. Gross angelaufen ist im vergangenen Jahr die Umstellung auf elektrische Lastwagen, mit dem Ziel, bis 2028 70 E-LKW im Einsatz zu haben. Erste diesbezügliche Schritte unternahm man bereits 2019 mit einer mit Emoss-Retrofit-Technologie elektrifizierten MAN-Zugmaschine. 2022 kam der erste Designwerk-E-LKW, Ende 2023 waren es bereits gegen 15 E-Trucks, darunter erste Serien-E-Lastwagen von Renault Trucks und Volvo Trucks.

Die grosse Frage lautet: Wie laden?

Für Martin Lörtscher war lange vor dem Eintreffen der ersten Designwerk-Fahrzeuge klar, dass für den geplanten Flottenausbau eine professionell ausgearbeitete Ladeinfrastruktur benötigt würde. «Man muss nur den Strombedarf von 20 E-LKW anschauen, damit klar wird, dass wir nicht improvisieren dürfen.» Lag der Stromverbrauch bei Hugelshofer früher bei etwa 300’000 kWh/Jahr, beträgt der Bedarf von 20 E-Trucks rund 2,75 GWh/Jahr, also das 9-Fache. Im geplanten Endausbau mit 70 E-Trucks wären es rund 9,63 GWh/Jahr und damit das 32-Fache des Bisherigen.

Nach intensiver Vorberatung mit ausgewählten Projektspezialisten wurde Anfang 2021 mit der Projektierung für den Ladepark von Hugelshofer begonnen. Sie umfasste fünf Schwerpunkte: das Energie- und Lademanagement, neue Trafostation, die Ladestationen, die Solaranlage und die umfangreichen Tiefbauarbeiten für Stromleitungen, Wasserauffangbecken und Fundamente. Ein Grundsatz des Projektes ist, dass man bei Hugelshofer auf Schnellladen abstellen will. «Wir kommen nicht darum herum, denn wir fahren für unsere Transportaufträge praktisch rund um die Uhr», sagt Martin Lörtscher. «Unternehmen, die ihre LKW bei Nacht stehen lassen, können hier anders planen.»

Hugelshofer Ladepark TIR transNews
Der Truckport mit Solarmodulen darf den darunter ablaufenden Logistikbetrieb mit den Lastwagen nicht behindern. Spannweiten und Grösse verlangen nach massiveren Konstruktionen.

Ladepark von Hugelshofer mit Solardach über Parkplatz

Die projektierten 14 Schnellladestationen werden mit Solarstrom gespiesen. Dazu wird der firmeneigene LKW-Parkplatz mit Photovoltaik-Paneelen überdacht und Solarpanels werden auf den Firmengebäuden installiert (total gut 1 MW Peak Leistung). «Wir haben rasch herausgefunden, dass in jedem einzelnen Bereich die Erfahrung in Bezug auf E-Lastwagen fehlt.» Es gibt kein Energie- und Lademanagement für die anvisierte Grössenordnung, es war noch nie ein Solarport mit LKW-tauglicher Spannweite und Bauhöhe gebaut worden, Fastcharger wurden bislang erst im PW-Einsatz wirklich erprobt. «Wir fanden jedoch für alles eine interessierte Firma, welche die Herausforderung als Investition in die eigene Zukunft betrachtet», freut sich Martin Lörtscher.

Weil beim Truckport eine bewirtschaftete Parkplatzlogistikfläche mit der Solarproduktion in Einklang gebracht werden muss, ergibt sich ein Stützenabstand von nahezu zwölf Metern und eine Durchfahrtshöhe von sechs Metern. Dazu musste eine Unterkonstruktion für die Befestigung der Solarmodule entwickelt und selbst die Tragfähigkeit der Solarmodule getestet werden. Auch die Träger und das Fundament mussten wegen Spannweite und Grösse in einem neuen Mass dimensioniert werden. Bei den neuartigen Solarmodulen handelt es sich um bifaziale Paneele, die auch auf ihrer Rückseite Sonnenenergie in Strom umwandeln. Federführend für den Truckport ist die Ampere Dynamic Schweiz aus Zürich. «Wir sehen den Truckport bei Hugelshofer als Proof of Concept für die kostengünstige energetische Überdachung von Logistikflächen», sagt Projektleiter Patrick Dreher von Ampere Dynamic Schweiz.

Ladesäulen nachgebessert

Mit den ersten Designwerk-Lastwagen traten die Schwächen bestehender Fastcharger beim Hochleistungsdauerladen von LKW schon 2022 zutage. Nach etwa einer halben Stunde konnte die damalige 360-kW-Säule die nominelle Ladeleistung des Designwerk-LKW nicht mehr halten, die Ladeleistung ging spürbar zurück. Somit war der 900-kWh-LKW nicht nach zweieinhalb Stunden, sondern erst nach fünf und mehr Stunden geladen. «Beim PW mag das ja noch vertretbar sein, aber bei uns werden die Säulen stundenlang unter Vollleistung laufen müssen», sagt Lörtscher. Säulenlieferant Kostad reagierte umgehend und besserte mächtig nach. Auch das flüssigkeitsgekühlte Ladekabel der Säule wurde mit einer neuen Kühlung versehen (Huber + Suhner, Herisau). Somit hat Kostad die heute vielleicht einzige Schnellladesäule auf dem Markt, welche die hohen Anforderung von Hochleistungsdauerladen für E-Lastwagen auch in der Praxis zu erfüllen vermag.

Der durch Sonnenenergie erzeugte Strom kann den autarken Betrieb von rund 20 Lastwagen sicherstellen. «Erstmals in der 146-jährigen Firmengeschichte der Hugelshofer-Gruppe stellen wir einen Teil des Treibstoffs selbst her», freut sich Martin Lörtscher. Stromnetzbezug, Solarstrom und Ladesäulen müssen fein austariert gesteuert werden, um in einem guten Gleichgewicht stehen zu können. Dieser Punkt bereitet Martin Lörtscher am meisten Kopfschmerzen: «Infrastruktur und Lastwagen sind keine Herausforderung, denn Lösungen lassen sich finden. Das Lade- und Energiemanagement hingegen ist der Knackpunkt.» Da gibt es nichts ab Stange und es fehlt bislang an Grundlagen, um mit den grossen Schwankungen im Zusammenhang mit E-LKW umgehen zu können. Entsprechend bleibt das Energiemanagement eine Top-Priorität. «Meine Mitarbeiter und unser Stromlieferant BKW arbeiten seit Anfang Jahr eng zusammen, damit die täglich von der BKW benötigte Strombedarfsansage möglichst genau ausfällt.»

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Während der Bauarbeiten: Aushub für das Fundament der Stützen für die Solaranlage. Am Gebäude ist der Neubau der Trafostation zu erkennen.

Schlusspurt

Im Endspurt der Arbeiten rund um den neuen Ladepark von Hugelshofer betont Martin Lörtscher die konstruktive Zusammenarbeit aller Beteiligten. Neben den technischen Partnern für die Umsetzung nennt Lörtscher explizit den städtischen Versorger Thurplus und die Stadtverwaltung Frauenfeld: «Ohne deren Unterstützung wäre die Herausforderung der Umsetzung noch grösser gewesen.» Mitte April soll der Ladepark in Betrieb gehen. Wir bleiben dran.

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Der Truckport mit Solaranlage macht auch den Bau von Auffangbecken fürs Regenwasser nötig. Rechts das fertige Stützen-Fundament.
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